: Weser-Kurier entlässt Zusteller
ZEITUNGSKRISE Die „Weser-Kurier“-Mediengruppe hat über 70 Zeitungsausträgern aus „wirtschaftlichen Gründen“ gekündigt – die Auflage sinkt und der Mindestlohn kommt
VON KLAUS WOLSCHNER
Mehr als 70 Arbeitsverträge sind bei der Weser-Kurier-Mediengruppe am vergangenen Wochenende gekündigt worden. Bei den Betroffenen handelt es sich um Austräger, die zum Teil seit Jahren bei dem Verlag beschäftigt waren. Ihr Fehler: Sie hatten im vergangenen Jahr die Umwandlung ihrer Verträge, die den Verlag zu besonderen sozialen Leistungen für die Nacht- und Wochenend-Arbeit verpflichten, in Mini- und 400-Euro-Jobs bei der „Zweiten Bremer Zustellgesellschaft“ verweigert. Rund 300 noch beim Verlag direkt beschäftigte Träger hatten sich dem Spar-Diktat gebeugt – nur wenige hatten sich widersetzt.
Hintergrund der drastischen Maßnahme ist die bundesweite Gesetzgebung über Mindestlöhne. Während des Gesetzgebungsverfahrens hatten die Verleger eine generelle Mindestlohn-Ausnahmeregel für ihre Geschäfte gefordert mit der Begründung, die Pressefreiheit sei durch den Mindestlohn gefährdet. Sie setzen eine Ausnahme (Mindestlohn 6,37 Euro im Jahr 2015) durch für solche Zeitungsboten, die ausschließlich Zeitungen oder Anzeigenblätter in Briefkästen werfen. Für alle, die auch Werbung austragen, wird am dem 1. 1. 2015 ein Mindestlohn von 8,50 Euro gelten. Die Ausgliederung der Zusteller betreibt der Weser-Kurier seit Jahren. Der Verlag spart derzeit noch „eine hohe sechsstellige Summe“, weil er keine Mindestlöhne zahlen muss, hatte Vorstand Jan Leßmann jüngst erklärt.
Sparen muss die Verlagsgruppe auch wegen der rapide sinkenden Auflage. Nach den offiziellen IVW-Angaben sank die Abo-Zahl der Blätter des Anzeigenblocks – also inklusive Bremer Nachrichten, Norddeutscher, Wümme-Zeitung und Verdener Nachrichten – von 171.000 vor zwei Jahren auf 146.000 im zweiten Quartal 2014.
Probleme bereitet der Verlagsgruppe auch das Abdeckblatt Kurier der Woche, mit dem die Zeitungsgruppe in Bremen für ihre Anzeigenkunden die rund 200.000 Haushalte erreichen will, die nicht Weser-Kurier oder Bremer Nachrichten abonniert haben. In Branchenkreisen wird davon ausgegangen, dass allein Druck und Vertrieb dieses kostenlosen Anzeigenblattes im Jahr rund zwei Millionen Euro kosten. Die Anzeigen-Erlöse sind mager, zumal Inserate zu deftigen Rabatten angeboten werden. Wie viele Bremer sonntags merken, ist die Zustellung dieses Anzeigenblattes äußerst unzuverlässig – das dürfte bei den Werbekunden nicht gut ankommen. Gleichzeitig schließt sich der Kreis – zuverlässige Zusteller zu bekommen, ist aufgrund der schlechten Bezahlung in der Branche äußerst schwierig.
Nach monatelanger Suche hat der neue Aufsichtsrat der Weser Kurier-Verlagsgruppe, der sich noch nicht auf einen Vorsitzenden einigen konnte, mit Moritz Döbler einen neuen Chefredakteur gefunden. Zur Jahreswende schon hatte das Blatt angekündigt, dass gesucht wird. Die frühere Chefredakteurin Silke Hellwig hatte ihren Titel formal nicht abgeben müssen, „residiert“ aber am Ende des langen Flures ohne ihre alten Zuständigkeiten. Als Übergangs-Kandidat leitete Peter Bauer bisher die Redaktion. Wann der neue anfängt, ist offenbar noch nicht klar.