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Werkschau Art Spiegelman in KölnAtompilz aus dem Schädel

Art Spiegelman wird mit dem Comic „Maus“ identifiziert. Eine Werkschau zeigt nun Unbekanntes und widmet sich der Arbeitsweise des Künstlers.

Art Spiegelman 1997: „The Bastard Offspring...“ Bild: Art Spiegelman/ Museum Ludwig

Eigentlich mag Art Spiegelman gar nicht mehr über „Maus“ sprechen. In den autobiografisch angelegten Büchern „Maus“ I und II erzählte der Comic-Zeichner die Geschichte seines Vaters und wie dieser Auschwitz überlebt hat. Seitdem wird der New Yorker vor allem mit „Maus“ identifiziert. Manchmal auch auf ihn reduziert, was ihn wurmt. Und obwohl die Retrospektive CO-MIX im Museum Ludwig Köln zu je einem Drittel auch frühe und jüngere Arbeiten vorstellt, verwenden die Flyer und Plakate eine Zeichnung, die den Künstler mit einer Maus-Maske zeigt.

Um endgültig einen Schlussstrich unter „Maus“ zu ziehen, veröffentlichte Art Spiegelman jüngst „MetaMaus“, ein Kompendium, das dem Leser alle potenziellen Fragen beantworten und Hintergründe erschließen soll. Auf einer beigelegten DVD sind die Interviews zu hören, die Spiegelman in der Vorbereitungszeit mit seinem Vater geführt hat. In der Kölner Ausstellung, für die eine Hörstation eingerichtet wurde, ist von dem eigentümlichen Sprachgemisch des alten Herren, das Polnisch, Jiddisch und Amerikanisch verbindet, indes nichts zu verstehen.

Dafür geben Kopien der originalen Zeichnungen hervorragend Aufschluss, wie Art Spiegelman mit seinem Werk gerungen hat. Während „Maus I“ als Block präsentiert wird, ist „Maus II“ in einer Reihe gehängt, die um Kompositionsskizzen und Bewegungsstudien ergänzt wird. Art Spiegelman bezeichnet sie als visuelle Spur seiner Gedanken. Mal entwickelte er eine Szene ausgehend von einer Bildidee, mal auf der Basis von Dialogen. Obwohl zu sämtlichen Bildern Übersetzungen vorliegen, wurde in der Schau auf eine deutsche Übertragung verzichtet.

Das Ringen mit dem Werk

Er habe, sagt Art Spiegelman, alles, was er weiß, aus Comics gelernt. So sei es kein Zufall, dass Jugendliche wie er, die in den repressiv empfundenen 50er Jahren aufgewachsen und mit den MAD-Comics von Harvey Kurtzman groß geworden sind, sich später der antiautoritären Bewegung angeschlossen haben.

Es verwundert noch heute, wie der tief in die Hippieszene eingetauchte Zeichner seiner subversiven Lust frönen durfte und damit auch noch Geld verdiente. Für die Kaugummifirma Topp konzipierte er unter den Fittichen seines Mentors Woody Gelman (Bazooka Joe) Sammelkarten, Klebebilder und Produktverpackungen, die sich häufig durch pueril-destruktive Motive auszeichneten. Vielleicht würde der zornige Blondschopf, den Art Spiegelman 1974 Humpty Dumpty vertrimmen lässt, heute Harry Potter die Brille von der Nase schlagen. Das Bild des dicken Schuljungen Adam Bomb, dem ein Atompilz aus dem Schädel wächst, käme vermutlich gar nicht erst in den Handel.

Atompilz aus dem Schädel

Neben dem lukrativen Brotjob zeichnete Art Spiegelman für Untergrund-Magazine wie Arcade und RAW experimentelle, von Drogenerfahrungen inspirierte Geschichten. Sie belegen gleichermaßen den Einfluss von Comic-Zeichnern, etwa Winsor McCay (Little Nemo) und Robert Crumb (Zap Comix) sowie von Vertretern des Expressionismus und Kubismus. Die Chance jedoch, Spiegelmans Werke in einen Genrekontext zu stellen, wurde versäumt.

An Werken aus der jüngeren Zeit mangelt es gleichfalls. Ausnahmen wie ein großformatiges Glasfenster, das der Künstler für seine alte High School in Manhattan entworfen hat, sind nur im Katalog abgebildet. Sollte Art Spiegelman seinen künstlerischen Zenit vor knapp zehn Jahren überschritten haben?

Nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 schuf der Zeichner noch im selben Monat mit seiner Ehefrau Françoise Mouly ein bis auf den Titel, die Preisangabe und das Datum schwarzes Titelblatt für das Magazin The New Yorker. Nur wer genau hinschaute, konnte die Umrisse der beiden zerstörten Türme erkennen. Mehrere der klar strukturierten, zeitkritischen Titelbilder der 90er Jahre sind von ungebrochener Aktualität. Etwa ein Cover wie jenes zum Valentinstag 1993, auf dem ein chassidischer Mann eine schwarze Frau küsst.

Empörte Reaktionen wären auch heute garantiert. Leider. Ironie sei nun mal ein Mittel, um eine schwierige Wahrheit zu vermitteln, sagt Art Spiegelman. Darum ärgert er sich über die dänischen Mohammed-Karikaturen und den Film „Die Unschuld der Muslime“. Deren Schöpfer seien sich nicht der Macht von Ironie bewusst, weshalb die Werke für andere Zwecke instrumentalisiert werden. Das Recht auf Beleidigung will Art Spiegelman trotzdem verteidigen.

Art Spiegelman: CO-MIX. Museum Ludwig, Köln; bis 6. Januar 2013; Katalog, Flammarion, 30 Euro, „MetaMaus“, S. Fischer, 34 Euro

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