Wer soll den Klimawandel bezahlen?: In Rio will keiner über Geld reden
Der Klimawandel kostet Unsummen, immer mehr Umweltprojekte in armen Ländern könnten anlaufen. Doch denen fehlen die Mittel. Und die Industrieländer müssen sparen.
BERLIN taz | Die Ökowende verschlingt viel Geld – Geld, das gerade die ärmsten Länder der Welt nicht haben. Das war den Teilnehmern des ersten Erdgipfels durchaus klar. „Die entwickelten Staaten erkennen die Verantwortung an, die sie bei dem weltweiten Streben nach nachhaltiger Entwicklung tragen“, heißt es in der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung von 1992.
Deshalb bekräftigten sie das von den Vereinten Nationen gesetzte Ziel, wonach die Geberländer 0,7 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungshilfe aufwenden sollen. Und sie werteten die Globale Umweltfazilität (GEF) auf, ein Mechanismus, mit dem internationale Umweltprojekte finanziert werden.
Und heute, 20 Jahre später? „Noch nie gab es eine UN-Konferenz, auf der so wenig über Geld geredet wurde, obwohl das so dringend nötig wäre“, wundert sich Jens Martens, Entwicklungsexperte der internationalen Nichtregierungsorganisation Global Policy Forum. Die Industrieländer wollten kostspielige Zusagen vermeiden, und der Süden habe resigniert.
Im sogenannten nullten Entwurf der Rio+20-Erklärung wird nur einmal mehr das 0,7-Prozent-Ziel erwähnt. „Man zieht sich auf bloße Worthülsen zurück“, so Martens. „Wobei alle wissen, dass das Ziel eh nicht erreicht wird.“ So haben die Geberländer innerhalb des Industrieländerclubs OECD im vergangenen Jahr zusammen 133,5 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe gezahlt.
Vom 20. bis 22. Juni findet in Rio die UN-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung statt. 20 Jahre nach dem „Erdgipfel“ von Rio suchen die Staaten weiterhin eine Lösung, um Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung zu versöhnen. Hoffnungsträger ist die „Grüne Wirtschaft“. Die taz beleuchtet dieses Thema bis zum Gipfel.
Die Mittel wurden nicht aufgestockt
Das waren im Schnitt 0,31 Prozent ihres BIPs. Deutschland bringt es auf 0,4 Prozent. Weil viele Industrieländer derzeit selbst mit Schulden zu kämpfen haben, geht überdies der Trend dahin, eher weniger als mehr zu zahlen: Im Vergleich mit dem Vorjahr schrumpfte 2011 die öffentliche Entwicklungshilfe um fast 3 Prozent.
Mit der Umweltfazilität GEF sieht es nicht viel besser aus. Ursprünglich sollte sie über die laufende Entwicklungshilfe hinaus zusätzliche Mittel für eine nachhaltige Entwicklung mobilisieren. Ihre Aufgaben wurden immer weiter ausgeweitet – so fungiert sie auch als Finanzierungsmechanismus für die UN-Konventionen über Klima, Biodiversität, Ozon, organische Schadstoffe und Wüstenbildung –, ihre finanziellen Mittel aber wurden nicht aufgestockt.
Insgesamt 9,7 Milliarden US-Dollar haben Geberländer in den letzten zwei Jahrzehnten der GEF zur Verfügung gestellt. Finanziert wurden fast 3.000 Projekte, die von Naturschutzgebieten in Argentinien über Küstenschutz in Kambodscha bis zum Forstmanagement in Vietnam reichen.
Ein Klacks etwa im Vergleich zu den 100 Milliarden Dollar, die die Industrieländer für den auf der UN-Konferenz 2010 in Cancún beschlossenen Grünen Klimafonds zusagten. Entsprechend gering ist die Rolle, die die GEF noch spielt. So ist schon als Erfolg anzusehen, dass sie fast 39 Milliarden Dollar Kofinanzierung erhielt, größtenteils vom Privatsektor.
Ausbeutung von Rohstoffen
Auf Letzterem ruht zunehmend die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft, nicht nur der GEF, die unter dem hochtrabenden Titel „Earth Fund“ ein Pilotprogramm für Partnerschaften mit der Privatwirtschaft betreibt. Auch der Vorentwurf der Rio+20-Gipfelerklärung betont nun im Abschnitt über die Finanzierung „die Schlüsselrolle des Privatsektors“.
Wie die Konzerne allerdings dazu gebracht werden können, ihr Investitionsverhalten künftig umweltfreundlicher zu gestalten, darüber schweigt das Dokument. Bislang jedenfalls fließt das Gros der privaten Investitionen in Afrika allein in die Ausbeutung von Rohstoffen.
Und erst kürzlich hatte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Urgewald das finanzielle Engagement der Allianz-Versicherung in der chinesischen Kohlebranche angeprangert.
„Die größte Kohlefirma, in die die Allianz in China investiert hat, baute vorletztes Jahr 350 Millionen Tonnen Kohle ab“, sagte Calvin Quek von Greenpeace East Asia anlässlich der Allianz-Hauptversammlung. „Wenn diese verbrannt werden, führen sie zu CO2-Emissionen, die die gesamten deutschen Kohlendioxidemissionen bei Weitem überschreiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt