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Wer bekommt die Kanzlerwohnung?

Auf was muss der eine beim Auszug achten, auf was die andre beim Einzug? Oder kommt am Ende doch noch alles anders, als man denkt? Die Bundestagswahl aus der Perspektive der Zweiraumwohnung im achten Stock des Bundeskanzleramts

VON UWE RADA

Sag keiner, bei Kanzlerwohnungen gäbe es keinen Markt. Die eine will rein, der andere will nicht raus, und für zwei Bundeskanzlerämter hat dem Bauherrn, der Bundesbaudirektion, das nötige Kleingeld gefehlt. Also spricht vieles dafür, dass einer der Konkurrenten am Ende auf der Strecke bleibt. Worauf beide – der Wohnungsinhaber und die Wohnungssuchende – achten müssen? Lesen Sie selbst.

Selbstverständlich ist die zwei Zimmer kleine, 200 Quadratmeter große Wohnung im Kanzleramt eine Dienstwohnung. Ist der Dienst beendet, hat der Dienstherr das Recht, die Zuweisung zu widerrufen. Entzogen werden kann die Wohnung aber erst, wenn eine „angemessene Ersatzwohnung“ vorhanden ist. Ist das Schröder-Heim in Hannover also angemessen? Bestimmt, was die Zahl der Zimmer angeht. Doch den Blick auf Reichstag, Spree und Biergarten gibt es in Hannover nicht und auch nicht in New York. Der Dienstwohnungsinhaber Gerhard Schröder kann also auf einstweilige Überlassung der Wohnung pochen.

Vielleicht geht er aber freiwillig, weil ihm nicht nur das Vertrauen seiner Abgeordneten abhanden kam, sondern auch das des Vermieters. In diesem Fall muss Wohnungsinhaber Schröder wie jeder andere ins Kleingedruckte schauen. Darf er sein Domizil besenrein übergeben? Oder muss er den ursprünglichen Zustand der Wohnung wiederherstellen? Und wie ist es mit Schönheitsreparaturen?

Am besten lassen sich solche Dinge bekanntlich mit einem Nachmieter klären. Doch das Angebot, drei Nachmieter zu nennen, hat der Wohnungsinhaber ausgeschlagen. Nicht verhandlungsbereit ist Angela Merkel, die neue Dienstwohnungsinhaberin in spe. Sie pocht auf einen „neuen Anfang“. Mit dem Übertünchen vom gelbem Zigarrenrauch an Wänden und Decken ist es damit wohl nicht getan.

Sollte Gerhard Schröder tatsächlich eine angemessene Ersatzwohnung gefunden haben, tritt Angela Merkel in alle Rechte und Pflichten ein. Auf einen alten Ostmietvertrag kann sie sich nicht berufen. Auch nicht darauf, ihre Wohnung in Kanzlerinnenwohnung umzubenennen. Das hat Architekt Axel Schultes nicht vorgesehen. Allenfalls kann sie wegen der Geschlechterdiskriminierung auf Mietminderung pochen. Der Bundeshaushalt wäre entlastet und der „Professor aus Heidelberg“ um eine Sorge ärmer.

Dann ist da die Sache mit dem Untermieter. Gerhard Schröder hat einen Teil seines Domizils an eine Frau untervermietet. Christina Weiss heißt die zweite Frau im Haus nach Doris und muss wie diese mit dem Hauptmieter raus. Angela Merkel will als Untermieter einen Mann, Norbert Lammert. Nur: hat sie wirklich ein „berechtigtes Interesse“ an einer Untervermietung? Anders gesagt: Welche Rolle spielt die Kultur bei einer Physikerin? Bei Schröder/Weiss war das keine Frage. Die haben alle Naslang Künstler zu sich geladen, auch solche, die es gar nicht wollten.

Schließlich gibt es im Mietrecht noch die Frage der Weitervermietung, obwohl der Mietvertrag für den bisherigen Wohnungsinhaber beendet scheint. Dies ist dann der Fall, wenn der Beendigungsgrund, zum Beispiel das Ende der Kanzlerschaft, entfällt. In diesem Fall, so der Haus- und Grundbesitzerverband, ist zumindest eine Renovierung fällig. Sieben Jahre sind schließlich eine lange Zeit.

Und noch ein Fall ist zu klären: Was, wenn Gerhard Schröder sein Dienstverhältnis zwar beendet, seine Nachfolgerin aber gerne am Kupfergraben wohnen bleiben möchte? In diesem Fall kann der Dienstherr auf Eigenbedarf klagen. Die Wohnung fiele dann an das Bundesbauministerium, genauer gesagt, den Nachfolger von Manfred Stolpe (SPD). Nicht mehr „Waschmaschine“ würde man das Kanzleramt dann wohl nennen, sondern „Mauthäuschen“.

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