piwik no script img

Weniger Geld, gleich viele Studenten

■ Gerichte kippen Gesetze zur Streichung von Fakultäten. Die Verwaltung ist bei Umsetzung der Sparbeschlüsse ratlos

Der geplante Studienplatzabbau steht auf wackligen Beinen. Zwar kann der Senat auf dem Papier die Studentenzahlen auf 85.000 reduzieren. Das heißt aber noch lange nicht, daß im Jahre 2003 tatsächlich weniger Studenten in den Hörsälen sitzen werden. Rechtsexperten gehen davon aus, daß abgewiesene Studenten ihren Platz bekommen: Sie müssen nur den Umweg über die Gerichte in Kauf nehmen und sich einklagen. Die Folgen: Die Gelder fließen spärlicher, aber die Studenten werden nicht weniger, die Studienbedingungen dafür immer schlechter.

„Die Dummen werden die Universitäten und die Studenten sein“, meint Rechtsanwalt Frank Lansnicker. Er hat Gesetze zum Studienplatzabbau kürzlich ausgehebelt: Obwohl ursprünglich abgewiesen, dürfen 13 MedizinstudentInnen vorerst studieren, weil das Oberverwaltungsgericht das zugrundeliegende Universitäts-Medizin-Gesetz für „verfassungsrechtlich untragbar“ hält. Genauso ist es bereits den entsprechenden Gesetzen für die Veterinär- und Zahnmedizin ergangen. Die Gerichte werfen dem Gesetzgeber vor, er habe nicht so sorgfältig abgewogen, wie es ein solch schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte gebiete.

Stichhaltige Begründungen werden die Richter auch für das Haushaltsstrukturgesetz verlangen. Ob die aber bei dem Sparpaket zu liefern sind, ist fraglich. Susan Morgner, Sprecherin der Humboldt-Uni, kann jedenfalls „keine nachvollziehbaren Kriterien“ etwa für das geplante Aus der HU-Agrarwissenschaft erkennen. Mit der Nachvollziehbarkeit bleibt auch die Planungssicherheit auf der Strecke: Der Hochschulstrukturplan von 1993 mit garantierten 100.000 Studienplätzen bis 2003 ist bereits Makulatur. Und die Unis fürchten, daß das Streichkonzert weitergeht.

Trotz des jetzt geplanten Wegfalls von insgesamt 5.000 Studienplätzen muß in den Universitäten weiter gestrichen werden. „Erhebliche Schwierigkeiten“ habe sein Haus, gesteht ein Beamter aus der Senatsverwaltung für Wissenschaft ein, die Reduzierungen in Numerus-Clausus-Fächern wasser- und gerichtsdicht zu machen. Die Argumentation der Richter ist vorhersehbar: Wird ein NC erhoben, ist das Angebot an Studienplätzen in diesem Fach ohnehin schon eingeschränkt. Also darf es nur im sorgfältig begründeten Ausnahmefall weiter beschnitten werden. Doch diese gerichtstauglichen Begründungen sind kaum zu erbringen: „Es weiß keiner“, so der Beamte, „wie wir das schaffen sollen.“

Noch wehren sich die Hochschulen gegen die diktierten Kürzungen. So sollte etwa den Informatikern an der FU der Strom gänzlich abgedreht werden. Dagegen aber sträubt sich der Akademische Senat, weil er Informatik für ein „zukunftsweisendes Querschnittsfach“ hält. Also wird er die vier zu sparenden Millionen anderswo abknapsen. Und nun müssen Fächer Federn lassen, von denen bisher noch keine Rede war. Um die Informatik zu retten, sollen die Weltraumwissenschaft aufgelöst und bei Mathematik, Meteorologie und der Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung Stellen gestrichen werden.

Schon aber taucht das nächste Problem auf: Mit solchen längerfristigen Reduzierungsprogrammen läßt sich zwar beträchtlich sparen, aber nicht schnell genug. Denn der Senat will noch in diesem Jahr Ergebnisse sehen. Also kappen die Unis Stellen, für die die Verträge auslaufen – egal, in welchem Fach. Das bringt sofort Geld, doch der Teufelskreis beginnt erneut: Weil das Streichen nach dem Zufallsprinzip geschieht, ist für die Verwaltungsgerichte der Abbau willkürlich, also nicht begründet. Deshalb gehen sie von einer Lehrkapazität aus, als wären alle Stellen besetzt. So entsteht das von den Unis beklagte „fiktive Lehrangebot“: Zwar darf fast jeder studieren, was er will. Doch mit den Rahmenbedingungen muß er selbst zurechtkommen. Bernd Kastner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen