Wenig Wähler, viele Rechte : KOMMENTAR VON BETTINA GAUS
Für Vertreter der Bundestagsparteien sind die Ergebnisse der Landtagswahlen ziemlich bequem. Sie alle, sogar die in Berlin abgestürzte PDS, können irgendein Teilergebnis herauspicken, was sich halbwegs überzeugend als Erfolg darstellen lässt. Die Grünen dort dürfen sich gar Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung machen. In der Hauptstadt, wohlgemerkt. Was sich ja doch bedeutender anhört als Provinz. Und gemeinsam können alle Entsetzen über den Erfolg der Rechten in Mecklenburg-Vorpommern bekunden.
Wie nett. Als ob das angesichts der Wahlbeteiligung überraschend wäre. Extremisten werden halt gestärkt, wenn Demokraten sich verweigern. Erstaunlich ist allenfalls, dass der Erfolg der NPD nicht noch größer war und sie in Berlin keine Chance hatte. Vermutlich hat die WASG – die keine extremistische Partei ist! – einen Teil des Protestwählerpotenzials gebunden.
Die Nichtwähler müssten Thema der Debatte sein. Es hat sich eingebürgert, sie für unpolitisch zu halten. Wenn man von den Höhen allgemeiner Betrachtungen in die Niederungen einer konkreten Situation herabsteigt, dann wirkt dieser Vorwurf allerdings immer häufiger wie ein Klischee.
Beispiel Berlin: Wer von einer rot-roten Koalition eine linke Politik erwartet hatte, sieht sich – je nach Standpunkt – in seinen Hoffnungen oder Befürchtungen getäuscht. Die Begründung, dass die Verhältnisse einen solchen Kurs nicht erlaubten, kommt einem öffentlichen Eingeständnis gleich, Politik nicht gestalten zu können. Oder zu wollen. Was ist unpolitischer: dieses Eingeständnis – oder die Entscheidung, am Wahltag zu Hause zu bleiben?
Der Abscheu vor Rechtsextremisten treibt manche potenziellen Nichtwähler an die Urne. Es wären jedoch ohne Zweifel deutlich mehr, würde dem routinierten Alarmismus in Wahlkämpfen auch eine überzeugende, langfristig angelegte Politik folgen. Selbst wenn die Geld kostet.
Die Höhe der Wahlbeteiligung ist kein Naturereignis. Sie hat etwas mit dem Glauben daran zu tun, die gesellschaftliche Realität maßgeblich beeinflussen zu können. Wenn daran nicht einmal mehr die Akteure glauben – wo soll der Glaube der Bevölkerung an die eigene Kraft denn herkommen?