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Archiv-Artikel

Wendländisches Tagebuch (4): Do, 4. 11. 2004 Hubschrauberpatrouillen

Familie Zitterbart aus Gedelitz wohnt drei Kilometer vom Zwischenlager Gorleben entfernt. Der Atommüll-Zug, der nächste Woche eintreffen soll, bringt auch ihren Alltag durcheinander. Ein Tagebuch, heute von Ortrud Zitterbart, Korbflechterin

Die Hubschrauber fliegen die Strecke jetzt regelmäßig auf und ab. Das hören wir natürlich. Das ist schon bedrückend, auch für mich, aber besonders für unsere Töchter. Hier ist die Lage im Vergleich zum Vorjahr allerdings noch relativ ruhig; in Hitzacker ist schon wesentlich mehr los. Das hat unsere ältere Tochter mir heute erzählt. Die geht da zur Schule, die jüngere in Trebel. Da zählen die Kinder die Polizeiautos, wenn die Kolonnen kommen, und malen „Stopp Castor“- Schilder. Die zeigen sie dann aus dem Fenster.

Am Montag wird sie nicht zum Unterricht gehen. Einerseits kommt ja der Schulbus nicht mehr durch, andererseits ist das auch eine Situation, der ich meine Tochter nicht aussetzen will. Dass hier überall Polizisten sind und alles gefilmt wird und fotografiert, das ist für sie mit ihren zehn Jahren nicht mehr zu verstehen. Sie fragt mich dann, „warum stehen die da?“ Das macht mich auch selber ein Stück weit ratlos, darauf eine richtige Antwort zu finden, damit sie kein so schlechtes Bild von Polizisten bekommt. In ihren Augen ist die Polizei eigentlich dafür da, Verbrecher zu jagen. Und ich muss ihr dann sagen, die stehen für uns da – das kann sie nicht nachvollziehen.

Klar, dass das die Kinder nachhaltig beschäftigt. Im Sommer, also gar nicht zu Castor-Zeiten, hat die jüngere völlig aus dem Nichts heraus gefragt: Gibt es auch nette Polizisten? Ich sage ihr dann: Natürlich gibt es auch nette Polizisten, und dass die ihre Arbeit machen. Aber ich finde, auch als Polizist könnte man damit ruhig ein bisschen kritischer umgehen – es ist ja nicht in Ordnung, wenn die Polizei ein ganzes Dorf unter Arrest stellt, wie im vergangenen Jahr Laase. So etwas hat einfach Auswirkungen auf das Verhältnis der Kinder zur Polizei. PROTOKOLL: bes