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Archiv-Artikel

Wendländisches Tagebuch (1): Montag, 1. November 2004 Stacheldraht vor'm Bahnhof

Der Atommüll-Zug wirft seine Schatten voraus. Auch für Familie Zitterbart aus Gedelitz, drei Kilometer vom Zwischenlager Gorleben entfernt. Heute: Uwe Zitterbart, 44, Möbeldesigner

Der Castor bestimmt schon jetzt die ganze Termineinteilung. Man muss sich das so vorstellen: Die Bundesstraße hier, die wird im Prinzip ein Stück weit zu 'ner Grenze, die den Landkreis teilt. Das ist teilweise schwer, da rü-berzukommen. Wir hatten schon Jahre, da brauchte man einen Passierschein. Aber selbst mit diesem Schein ging's zumindest am Transporttag selbst nicht mehr, über diese Straße rüberzu-kommen.

Also haben wir für uns dieses Mal alles so geregelt, dass wir das nicht müssen – alles, was eben im Voraus zu regeln ist. Ein Termin bei einem Kunden etwa habe ich auf die Woche nach dem Castor verschoben. Der Kunde hätte es gerne am Wochenende gemacht, weil's unter der Woche natürlich immer knapp ist. Aber das bringt nichts zu dieser Zeit.

Bei unserer älteren Tochter wird die Schule ausfallen, am Montag und Dienstag mit Sicherheit, das hat die Schule selbst beschlossen. Von der jüngeren Tochter, die in 'ne andere Schule geht, da weiß man's noch nicht. Da wird es dann relativ spontan passieren oder auch nicht. Die Ältere geht in Hitzacker zur Schule. Die liegt genau neben der Bahnstrecke, auf der der Castor-Zug rollen wird. Teilweise ist dann das ganze Schulgelände von Polizei besetzt. Da ist natürlich an Unterricht nicht mehr zu denken.

Hitzacker ist jetzt schon voll mit Polizei, fast schon belagert, hat man den Eindruck. Rechts und links der ganzen Gleise wer-den Absperrgitter aufgebaut, wird Stacheldraht abgerollt, die-ser NATO-Draht. Auch vor dem Bahnhofsgelände, in Dannenberg wie in Hitzacker. Die Lücke zum Ein- und Aussteigen lassen sie noch – aber das kann eben auch ganz schnell zugemacht werden.

Dass die Patrouillen auf den Bahngleisen sind, das geht jetzt sicherlich schon vier Wochen. Auch, dass in jedem normalen Personenzug 'ne Begleitung vom BGS mitfährt, damit da nicht ir-gendwelche Sachen an den Schienen oder an den Zügen manipuliert werden können. Das ist ja immer so'n wunder Punkt, die Bahnstrecke. Und da wird dann schon relativ früh damit ange-fangen, das relativ genau im Au-ge zu behalten.

Protokoll: armin simon