■ Weltweit: Auflösung und Krieg
Abspaltungstendenzen sind keine europäische Spezialität. Mehr als ein Dutzend Kriege sind derzeit weltweit im Gange, an die zwanzig Regionen weisen starke Autonomiebewegungen auf.
In Asien befinden sich die Kurden mit der Türkei und dem Irak im Krieg. Auch in Kaschmir ist die Unabhängigkeitsbewegung der vorherrschende Aspekt. Die Region wurde 1947, nach der Beendigung der englischen Kolonialherrschaft, trotz mehrheitlich muslimischer Bevölkerung dem hinduistischen Indien und nicht Pakistan zugeschlagen. Daraus entstand ein heftiger Krieg zwischen den beiden um die Region. Der wurde dann durch die Vermittlung der UNO beendet. Die Autonomiebewegung Kaschmirs wandelte sich nach und nach zur Sezessionsbewegung, und seit den späten achtziger Jahren hat hier nach vergeblichen Verhandlungen der Terrorismus begonnen.
Auch die Sikhs im Pandschab sind längst zu Attentaten übergegangen und liefern sich mit den Regierungstruppen heftige Gefechte. China hat sich vor allem mit Tibet auseinanderzusetzen, das es 1959 besetzt hat. Doch auch im Nordwesten gärt es, etwa in Xinjang. Überall sind ethnische und religiöse Autonomiebewegungen entstanden, die Attentate verüben. In den südlichen und östlichen Küstenregionen, wo sich die reicheren Gebiete des Landes befinden, wollen sich die Städte nicht mehr von der starren Bürokratie Pekings einengen lassen. Sie fordern weniger staatliche denn wirtschaftliche Autonomie.
In Sri Lanka kämpfen die hinduistischen Tamilen trotz mancher militärischer Niederlage noch immer um ihre Unabhängigkeit vom buddhistischen Zentralstaat, auf den katholischen Philippinen fordern die Muslime von Mindanao ihre Freiheit; ihr Bürgerkrieg hat bereits 50.000 Todesopfer gekostet. Mittlerweile scheinen sich allerdings auch friedlichere Lösungen abzuzeichnen.
Ost-Timor wiederum, eine ehemalige portugiesische Kolonie, die sich 1975 unabhängig erklärt hat, steht unter der Fuchtel Indonesiens, das den Landstrich 1976 annektierte und ein Drittel der 600.000 Einwohner umgebracht hat.
In Afrika sind es vor allem Berber, die ihre Unabhängigkeit einfordern – gleich von drei Staaten: von Algerien, von Marokko und von Mauretanien. Sie wollen in ihren Landstrichen der Sahara einen eigenen Staat gründen.
Schließlich hat auch Amerika seine Sezessionsprobleme, das bekannteste in Kanada, wo die frankophonen Einwohner Quebecs sich vom englischsprachigen Rest trennen wollen. Das einschlägige Referendum ging gerade knapp verloren, es ist abzusehen, daß es das nächste Mal klappen könnte. Die USA jedenfalls sprechen sich, wo immer die Auflösung bestehender Staaten aufs Tablett kommt, vehement dagegen aus – einen Spalterbazillus beim unmittelbaren Nachbarn können sie erst recht nicht brauchen.W. R.
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