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Weltklimakonferenz COP28 Jeder plant seine eigene Zukunft

Der Westen kann dem Rest der Welt zeigen, wie die postfossile Transformation demokratisch erfolgreich funktioniert. Das wird die anderen aber nicht von ihren eigenen Wegen abbringen.

Ein weltweiter Aussteg aus fossiler Energie ist weiterhin nicht absehbar Foto: Foto: picture alliance/dpa/AP

taz FUTURZWEI | Man könnte versucht sein, die Weltklimakonferenz als das jährliche Pow Wow des Stammes der Erdmenschen zu sehen und als das Erscheinen von Kants sich selbst erkennenden Weltbürgern auf ihrer Agora zu feiern. Siebzigtausend Teilnehmer, Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler, Jugendliche und NGOs sind bei der COP28 in Dubai zusammengekommen. Allein die Bundesregierung ist mit über 300 Beamten dabei. Hier zeigt die Weltgesellschaft, wenn auch nur für einen Moment und jenseits der Konferenz-Agenda, was sie irgendwann einmal auszeichnen wird: Ein Miteinander aller Nationen und Menschen.

In der Sache allerdings, also beim gemeinsamen Steuern durch die Klimakrise hin zu sinnvoll austarierten Lebenschancen für alle Menschen unter den Bedingungen endlicher Ressourcen, wird auch die COP28 nur Versprechen und Ankündigungen beschließen. Es wird auch diesmal keine für alle verpflichtenden Beschlüsse geben, mit denen die festgesetzten Ziele durchgesetzt werden könnten, indem ein Nichterfüllen hart sanktioniert wird.

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Die Überprüfung der bis heute erreichten Fortschritte seit der 2015 in Paris beschlossenen Grenze für die Erderwärmung (möglichst 1,5, auf jeden Fall deutlich unter 2 Grad) hat ergeben, dass die weltweiten CO2-Emissionen nicht gesunken, sondern weiter gestiegen sind. 2023 war das wärmste Jahr seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Würde es so weiter gehen, dann wäre damit zu rechnen, dass „die Erde im Jahr 2100 bei etwa drei Grad Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit landen würde“. Das, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, „würde einen katastrophalen und existenzbedrohenden Klimawandel bedeuten.“ Selbst wenn „alle Länder ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent senken und ab 2050 überhaupt keine mehr ausstoßen würden, käme man auf mindestens 2 Grad Erderwärmung“, sagt der Klimapolitikexperte Niklas Höhne, Gründer des Kölner NewClimate Institute.

Das sind die Tatsachen.

Die Klimakrise wird sich trotz aller Bemühungen weiter verschärfen

Die Weltklimapolitik wird nach wie vor von den Interessen ihrer mächtigsten Teilnehmer bestimmt. Klimaneutral wollen die EU bis 2045, die USA bis 2050 und China bis 2060 werden. Die arabischen Länder wollen noch 30 Jahre Öl und Gas aus der Erde holen. Parallel dazu investieren sie in großem Stil in regenerative Energieträger mit dem Ziel, nach dem Versiegen ihre fossilen Quellen ihre Einkünfte und ihren weltweiten Einfluss auf die Wirtschaft anderer Länder fortzuschreiben.

China ist der größte CO2-Emittent und setzt auf eine ähnliche Strategie. Bis jetzt werden fortwährend neue Kohlekraftwerke ans Netz gebracht, wird die Atomenergie ausgebaut und auch regenerative Energiequellen in größerem Umfang als in allen anderen Ländern der Welt. Die angestrebte Weltmachtdominanz der chinesischen Überwachungsdiktatur soll auch mit den Regenerativen fortgeschrieben werden.

Die Schwellenländer in Afrika und Lateinamerika, die über riesige Vorkommen an fossilen Ressourcen verfügen, wollen mit dem Verkauf und dem eigenen Gebrauch dieser Rohstoffe ihre Industrialisierung – fossil – nachholen. Russland benutzt seine fossilen Ressourcen, um seine imperialistischen Herrschaftsinteressen in Kriegen umzusetzen. Ein Umsteuern zu den Regenerativen ist für Putin kein Thema. Europäische Länder, vor allem Frankreich, setzen auf den Ausbau der Kernenergie. Sie verschwenden dabei die notwendigen Mittel für den Ausbau der Regenerativen.

Alle diese Global Player werden sich über kosmetische Zugeständnisse hinaus nicht von ihren eigenen Zukunftsstrategien abbringen lassen. Die Welt wird trotz aller Bemühungen in eine sich weiter verschärfende Klimakrise hineingeraten.

Die aktuelle taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI N°27: Verbrauchte Ziele

Das 1,5 Grad-Ziel ist verloren, das 2 Grad-Ziel wohl auch. Braucht es einen Strategiewechsel und wie sieht der aus?

Wir machen Ernst IV, Schwerpunkt: Klimaziele

Mit Lea Bonasera, Kirsten Fehrs, Dana Giesecke, Jonathan Franzen, Anders Levermann, Wolf Lotter, Belit Onay, Katja Riemann – und natürlich Harald Welzer.

Zur neuen Ausgabe

USA und Europa als zukünftige Zentren postfossiler Weltwirtschaft

Die USA und Europa leisten sich in dieser schwierigen Lage den Luxus eines protektionistischen Wettbewerbs um den mutigsten, mit öffentlichen Schulden subventionierten Umbau ihrer Wirtschaften in nachfossile Strukturen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, wird in Europa und den USA das Zentrum der zukünftigen nichtfossilen Weltwirtschaft aufgebaut. Wenn dieser Umstieg in den USA und in der Bundesrepublik in wenigen Jahrzehnten gelungen sein wird, dann wird es zukunftsstarke postfossile Industrien in stabilen demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen geben. Die alten Industrieländer des Westens können auf diesem Weg dem großen Rest der Welt zeigen, wie die ökologische Transformation auch demokratisch erfolgreich vollzogen werden kann. Ob es dadurch gelingen wird, Europa und die USA von den Folgen der weltweit zunehmenden Klimakrise abzuschirmen, ist unklar. Es ist aber kein Grund, auf den eigenen und entschlossenen Umstieg ins nachfossile Wirtschaften zu verzichten.

Diese verschiedenen Prozesse werden sich wie beschrieben nebeneinander her und konfliktreich vollziehen, weil auch die COP28 keine Anstrengungen unternimmt, ein weltweites Gewaltmonopol aufzubauen, mit dem alle Länder dazu gebracht werden könnten, den Beschlüssen der Konferenz Folge zu leisten.

Die Vorstellung der Industrieländer des Westens, sie könnten ihr ökologisches Entwicklungsmodell exportieren oder zumindest für die eigenen Interessen absichern – mit Solidaritätsgerede und Millionen für die besonders vom Klimawandel betroffenen Länder garniert – wird kaum erfolgreich sein. Denn in den meisten Empfängerländern gibt es keine verlässlichen politischen und schon gar keine demokratischen Strukturen, die den ökologischen Einsatz dieser Millionen garantieren könnten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat das verstanden und schlägt daher ein neues Format übernationaler Zusammenarbeit vor: einen Klimaclub. Damit meint er eine vertraglich verpflichtende Zusammenarbeit der Länder, die bereit sind, gemeinsam die Energiewende umzusetzen, zu Beginn etwa mit einem gemeinsamen CO2-Preis. Ein solcher Klimaclub könnte jenseits der UN dem Weg zur notwendigen globalen Nullemission Struktur und Richtung geben und den auch in Zukunft notwendigen Klimakonferenzen einen handlungsfähigen Kern einpflanzen.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.