Weitere Ermittlungen im "Kika-Komplex": Nach dem Prozess ist vor dem Prozess
Nach dem Urteil gegen den ehemaligen Herstellungsleiter des Kinderkanals, Marco K., kündigen sich neue Verfahren an. Dem Sender könnte der Etat gekürzt werden.
Dass der Kika-Skandal nicht mit dem Urteil gegen den Hauptakteur, den ehemaligen Herstellungsleiter Marco K., zu Ende sein würde, kündigte sich lange schon an, nämlich in dem Revisionsbericht von MDR und ZDF. Den hatten die beiden Träger des Gemeinschaftsunternehmens Kinderkanal bereits im Frühjahr ihren Intendanten vorgelegt.
In der vergangenen Woche also wurde Marco K. vom Erfurter Landgericht zunächst wegen Untreue und Bestechlichkeit zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Seine Verteidiger legten Revision ein; unterdessen dauern weiterführende Ermittlungen zum "Kika-Komplex" an. Gegen elf weitere Personen, darunter fünf Kika-Mitarbeiter, und sieben Geschäftsführer verschiedener Produktions- und Servicefirmen aus Erfurt, Baden-Baden und Berlin-Adlershof. Und gegen Marco K. Denn der wurde bislang ausschließlich wegen Scheinrechnungen über 4,6 Millionen Euro verurteilt, die er in Zusammenarbeit mit der Berliner Produktionsfirma Koppfilm fingiert und abgerechnet hat. "Nur diese Scheinrechnungen hatten wir zu bewerten, weitere Verfahren werden abzuwarten sein", kommentierte der vorsitzende Richter in seinem Urteilsspruch.
Auch in den weiteren Fällen geht es um Untreue und Bestechlichkeit beziehungsweise um Bestechung. Bei zwei Personen lautet der Verdacht auf Beihilfe. "Wann es zu entsprechenden Verfahren kommt, ist bislang nicht abzusehen", hieß es dazu jetzt bei der Staatsanwaltschaft, die sich nach Ermittlungen gegen die einzelnen Unternehmen wieder auf den Kika konzentriert, nämlich auf zwei Mitarbeiter, die bereits in dem MDR/ZDF-Revisionsbericht erwähnt werden.
Scheinrechnungen über rund 500.000 Euro
Zum Beispiel ein "enger Freund und Reisebegleiter" des Herstellungsleiters, bei dem "nicht ausgeschlossen werden kann, dass er an den Schädigungen partizipierte". Von 160.000 Euro ist nach aktuellem Ermittlungsstand die Rede. Am 21. Juni hatte das Landeskriminalamt Thüringen (LKA) erneut die Räume des Kika im Erfurter MDR-Landesfunkhaus durchsucht. Gemeinsam mit einem weiteren Kika-Mitarbeiter soll der Mann eigens Scheinfirmen gegründet haben, um den Kika zu betrügen. Insgesamt geht es noch um weitere Scheinrechnungen über rund 500.000 Euro - etwa für Kosten, die angeblich bei Arbeiten am Internetauftritt angefallen sind.
Zu all diesen Vorgängen wollte sich Marco K. in dem nun zu Ende gegangenen ersten Prozess nicht äußern. So stellte Staatsanwalt Frank Riemann in seinem Plädoyer auch fest, dass der Angeklagte bislang nur das zugegeben habe, was ohnehin der "eindeutigen Beweislage" entsprach. Also ermittelt man weiter.
Unterdessen setzt der MDR auch seine internen Untersuchungen weiter fort. Noch im Juli will der ehemalige Leiter des LKA-Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, seinen Zwischenbericht bei MDR-Intendant Udo Reiter vorlegen. Darin geht es auch um die Frage, ob der vom Gericht als spielsüchtig anerkannte Marco K. tatsächlich all die Millionen verzockt hat, um die er den Kinderkanal zuvor betrogen hatte.
Der Revisionsbericht von MDR/ZDF geht bislang von einem Schaden von 8,2 Millionen Euro aus, der Kika im Laufe der vergangenen zehn Jahre entstanden ist. Ein Teil davon fällt strafrechtlich unter die Verjährungsfrist. Die Zustände beim Kika haben offenbar nicht nur Scheinrechnungen ermöglicht, es wurde auch eine Vielzahl der übrigen Aufträge ohne Ausschreibung vergeben. Die ARD-Intendanten haben darüber diskutiert, den Kika-Haushalt zu kürzen - die Rede ist von 1 Million Euro Kürzung jährlich. Weil sie sich nicht einig sind, befasst sich die ARD/ZDF-Finanzkommission mit dem Vorgang.
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