Weiter Diskussionen um Hartz-IV: Nicht mal 6 Euro wollnse rausrücken
Regierung und Opposition diskutierten mehr als zehn Stunden über Hartz-IV – und konnten bei den zentralen Fragen keine Einigung erzielen. Nun droht eine Sonder-Bundesratssitzung.
BERLIN dpa | Weiter Diskussionen um Hartz-IV: Die Kompromissgespräche von Koalition und Opposition wurden in der Nacht zum Montag ohne Ergebnis auf Dienstag vertagt. Zuvor hatten beide Seiten fast zehn Stunden miteinander verhandelt. Hauptstreitpunkt ist die Höhe des künftigen Hartz-IV-Regelsatzes. Trotz Annäherungen beim Bildungspaket ist nach wie vor offen, wie das Geld dafür an die Kommunen transferiert werden soll. Keine Annäherung gibt es bisher bei der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit, wo die Regierungskoalition auf einer Neun-Monatsfrist beharrt.
Hierbei hat SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann FDP Dogmatismus vorgeworfen. Oppermann kritisierte vor allem die starre Haltung der Liberalen zur gleichen Bezahlung für Leiharbeiter nach neun Monaten. "Die FDP ist da absolut dogmatisch", sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Die meisten Zeitarbeiter hätten nach neun Monaten gar keine Arbeit mehr.
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, beharrte für die Regierungskoalition auf einer Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um nur fünf Euro. Der SPD, die das nicht für ausreichend hält, warf er am Montag in Berlin einen "politischen Irrweg der Linken" vor. "Unser Ziel ist es, dass Arbeitslose schnell wieder in Arbeit kommen". Sie dürften sich nicht in Hartz-IV "einrichten", sagte Friedrich.
Die SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig und Grünen-Chef Fritz Kuhn unterstrichen, dass es ohne Zugeständnisse der Koalition in allen drei Verhandlungsfeldern - Regelsatz, Mindestlohn und Bildungspaket - keine Einigung geben könne. Sollte bis zur nächsten Sitzung des Bundesrates an diesem Freitag kein Verhandlungsergebnis vorliegen, ist eine Sondersitzung der Länderkammer im Gespräch.
SPD und Grüne: Hartz-IV auf 370 Euro
SPD und Grüne verlangen dem Vernehmen nach, dass bei der Berechnung des Existenzminimums für Langzeitarbeitslose jene nicht berücksichtigt werden, die weniger als 100 Euro im Monat hinzuverdienen. Dadurch würde der Hartz-IV-Regelsatz nicht wie von der Koalition vorgesehen um fünf Euro, sondern um 11 Euro auf 370 Euro im Monat steigen. Kuhn sagte, es gehe darum, die Berechnung "verfassungsfest" zu machen.
Für die Linke ist die Reform nach dem nächtlichen Verhandlungsdebakel dagegen "praktisch gescheitert". Parteichef Klaus Ernst ruft die Betroffenen auf, über die Sozialgerichte einen verfassungsgemäßen Regelsatz zu erstreiten. "Schwarz-Gelb will keine Lösung. SPD und Grüne sind zu feige, wirklich Druck aufzubauen", erklärte Ernst am Dienstag. "Die Betroffenen können nicht länger warten. Sie müssen jetzt den Weg über den Rechtsstaat gehen und sich dort ihr Recht holen", sagte Ernst.
Klaus Ernst: Jetzt gilt Richterrecht
Weil die alten Regelsätze nicht mehr gültig seien, gelte jetzt Richterrecht. "Massenklagen gegen verfassungswidrige Hartz-IV-Bescheide haben Erfolgschancen. Die Gerichte werden sich das Hartz-IV-Mikado auf dem Rücken der Betroffenen nicht länger anschauen". Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar vergangenen Jahres eine Neuberechnung des Regelsatzes für 4,7 Millionen erwachsene Hartz-IV-Bezieher und mehr Bildungsförderung und Teilhabe für bedürftige Kinder verlangt. Beides ist seit dem 1. Januar überfällig.
Von der Leyen: "Milliardenschweres Angebot gemacht"
Zu Beginn der Verhandlungen hatte die Koalition angeboten, die Kosten der Kommunen für die Grundsicherung armer Rentner komplett zu übernehmen. Die schrittweise Übernahme der Grundsicherung für arme Rentner durch den Bund würde die Kommunen im Zeitraum von 2012 bis 2015 insgesamt um 12 Milliarden Euro entlasten, hieß es aus Regierungskreisen. Von der Leyen sagte: "Wir haben ein milliardenschweres Angebot gemacht". Schwesig sagte, SPD wie Grüne begrüßten es, dass der Bund hier die Kommunen entlasten will. Damit sei aber immer noch nicht geklärt, wie die Bildungsausgaben garantiert werden.
Schäuble erwartet Entgegenkommen bei Gemeindefinanzreform
Diese Entlastung zielt darauf, der Opposition die Zustimmung zum Hartz-IV-Paket schmackhaft zu machen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte schon im November Bereitschaft signalisiert, den Kommunen die Grundsicherung im Alter abzunehmen. Er erwartet dafür aber von der Opposition ein Entgegenkommen bei der Reform der Gemeindefinanzen, speziell bei der Gewerbesteuer. Derzeit tragen die Kommunen die Hauptlast der Grundsicherung im Alter. 2009 schlug diese Sozialhilfeleistung mit knapp 3,9 Milliarden Euro zu Buche. Bis 2020 ist nahezu eine Verdoppelung auf 7,2 Milliarden Euro prognostiziert. Die Grundsicherung im Alter kam zuletzt knapp 800 000 armen Rentnern zugute.
"Zweimal das gleiche Geschenk, einmal zu Weihnachten, einmal zu Ostern"
Der Vorschlag war nicht neu: Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte schon Anfang November vergangenen Jahres den Kommunen angeboten, die Kosten für die Grundsicherung armer Rentner komplett zu übernehmen – dafür aber Entgegenkommen bei der Reform der Gemeindesteuern verlangt. "Zweimal das gleiche Geschenk, einmal zu Weihnachten, einmal zu Ostern", spottete ein SPD-Unterhändler.
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