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Weintipp der Parzelle „Pfefferberg“ Trauben von steilen Hängen

Thorsten Melsheimer bewirtschaftet seine Hänge seit 1995 biologisch – bei Steigungswinkeln von bis zu 45 Grad.

Steiler Aufstieg. Bild: dpa

DEUTSCHLAND zeo2 | Ein Winzer ohne Traktor, das ist ungefähr wie ein Taxifahrer ohne Taxi. Eigentlich eine Unmöglichkeit. Thorsten Melsheimer ist Winzer und sein Traktor ist im Sommer 1967 erstmals zugelassen worden. Melsheimer ist ein paar Monate jünger. Er mag seinen Trecker, so richtig nutzen kann er ihn aber nicht, weil seine Weinberge schlicht zu steil sind, um mit dem Trecker erklommen zu werden.

Melsheimer ist Steillagenwinzer in Reil an der Mittelmosel. Dass es die Lage „Mullay-Hofberg“ heute überhaupt noch gibt, ist so auch keiner Maschine, sondern dem Geist und den Händen eines Winzers wie Melsheimer zu verdanken. Denn ohne Handarbeit geht bei abenteuerlichen Steigungswinkeln von bis zu über 45 Grad nichts.

Melsheimer engagiert sich leidenschaftlich für den Erhalt des Steillagenweinbaus. Seine Weinberge bewirtschaftet er seit 1995 biologisch. Mit dem Jahrgang 2013 ist sein Betrieb auch biologisch-dynamisch zertifiziert. Man weiß nicht, ob man ihn dafür bewundern oder bemitleiden soll.

Am besten lässt man beides sein und hört ihm einfach zu: Wenn es darum geht, dass immer mehr Steillagen verbuschen, weil sich die Bewirtschaftung für die Winzer nicht mehr rechnet; wenn er den Preisverfall wertvoller Terrassenlagen beklagt, die mittlerweile bis zu einem Drittel weniger kosten als Flach- und Hanglagen am Ufer der Mosel; wenn er davon erzählt, wie Fördermittel nach dem Gießkannensystem verteilt werden und am Ende flächendeckend verdunsten.

Glück und Unglück

Melsheimer ist dann schnell auf 180. Melsheimer ist oft auf 180. Manchmal fragt er sich, warum er sich das alles antut. Doch er wird die Antwort schon wissen: Weil es sich richtig anfühlt. Er handelt im Einklang mit seinem Charakter, würde er das nicht tun, wäre er vermutlich schnell unglücklich. Dass zu Melsheimers Glück auch das Unglücklichsein gehört, liegt in der Natur seiner Persönlichkeit. Womit schnell klar wird: Der Mann kann es sich nicht einfach leicht machen.

Melsheimer hat Önologie in Geisenheim studiert, das Wissen davon Mitte der 90er Jahre mit nach Hause gebracht, seine nachhaltig ökologische Weltanschauung auch, da war ihm keiner böse drum, im Gegenteil. Sein Vater verzichtete schon lange auf Herbizide im Weinberg, die Umstellung auf biologischen Weinbau vollzog sich zumindest im Familienkreis geschmeidig. Die Natur freilich nimmt auf menschliche Befindlichkeiten und umweltpolitische Einsichten keine Rücksicht.

Wer sich von der konventionellen Landwirtschaft verabschiedet hat, kommt in schwierigen Jahren mit der Arbeit kaum hinterher und muss sich am Ende mit lächerlich geringen Erträgen herumschlagen. Wer sich, wie Melsheimer, dazu noch Steillagen an der Mosel ausgesucht hat, ist ein Grenzgänger. Doch Melsheimer nimmt Niederlagen in Kauf, weil die Alternative eine noch größere Niederlage wäre.

Der Mann ist zäh wie sein Traktor, und das Bild vom Biowinzer mit verklärtem Blick und Zitronenfalter auf der Nasenspitze darf getrost in der Kuriositätenkiste verstaut werden. Diesen Mut und Eigensinn spiegeln am Ende auch seine Weine wider. Sie sind bei aller Vielschichtigkeit stets von einer Leichtigkeit geprägt, wie man sie auch an der Mosel heutzutage nicht mehr so oft findet. Melsheimers Hausberg, der „Mullay-Hofberg“, ist ein Profiteur der Klimaerwärmung.

13 Monate Gärung

Seine Süd-Ost-Lage spendiert ihm schon am späten Nachmittag Schatten, während andere Cru-Lagen noch von der Sonne gebraten werden. Sein 2012er feinherber Riesling aus der Parzelle „Pfefferberg“ gärte ganze 13 Monate im Fuder. Nicht weil Melsheimer das forciert hätte, sondern weil die Gärung im kalten Winter 2012 erstmal eine lange Pause einlegte, und erst im Frühjahr wieder einsetzte.

Wer auf Reinzuchthefen verzichtet und nur den Wildhefen vertraut, dem darf vor so etwas nicht bang sein. Dem Wein ist das am Ende außerordentlich gut bekommen, er vereint cremig anmutende Frucht mit pfeffriger Schieferwürze. Bei beschwingten 11,5 Umdrehungen lässt er sich auch in größeren Dosen ohne Reue genießen, und nebenbei erhält man mit jedem Schluck ein Stück einmaliger Weinkulturlandschaft.

Axel Biesler, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 2/2014. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.