Weinmarktreform: Winzer dürfen Wein länger zuckern
Die Bundesregierung setzt sich bei der EU-Weinmarktreform durch: Es bleibt erlaubt, den Alkoholgehalt durch Zucker zu steigern. Nur die Zuckermenge muss begrenzt werden.
BRÜSSEL taz Was nach drei Tagen Mammutsitzung der EU-Agrarminister als Schlagzeile übrig bleibt, ist nicht gerade als Werbespruch für deutsche Kellereien geeignet: "Deutscher Wein darf weiter gezuckert werden." Französischen Gourmets bereite die Vorstellung eine Gänsehaut, teilte eine französische Journalistin dem deutschen Minister Horst Seehofer (CSU) mit. Im Ausland wisse man nämlich nicht, dass es nur darum gehe, den Alkoholgehalt in kälteren Regionen oder regnerischen Jahren durch den Zusatz von Zucker im Gärprozess zu erhöhen. Im Endprodukt sei der Zucker nicht mehr nachweisbar.
Seehofer zeigte sich am Donnerstag zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis. Die Winzer müssen zwar ab August 2008, wenn die Verordnung in Kraft tritt, mit weniger Zucker auskommen. Doch die Änderung fiel bescheiden aus: Statt um bisher 3,5 Prozent darf künftig der Alkoholgehalt durch Zuckergärung um 3 Prozent gesteigert werden. Im Gegenzug erhalten südliche Länder noch vier Jahre lang Zuschüsse für die Alkoholsteigerung durch Traubenmost. Diese Methode ist vor allem in Italien verbreitet und teurer als Zuckerung.
Der Streit über die Frage, ob auch einfache Tafelweine künftig Rebsorte und Jahrgang ausweisen dürfen und so leichter mit den Qualitätsweinen verwechselt werden können, konnten die Minister nicht ausräumen. Die portugiesische Präsidentschaft überließ die Entscheidung dem jeweiligen Mitgliedstaat. Daran übt Ulrike Höfken, Grüne Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag, heftige Kritik. Diese "Liberalisierung geht zulasten des Qualitätsweins", glaubt die Abgeordnete. Der Verbrauchertäuschung werde "Tür und Tor geöffnet". Zufrieden zeigte sich hingegen die CDU-Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle: "Unser Hauptanliegen, nämlich ein Auslaufen der Destillationshilfen nach Übergangsfristen und somit hin zur Förderung von Qualität statt Quantität wurde erreicht."
Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel hatte ursprünglich gefordert, dass die Beihilfen für die Umwandlung überschüssigen Weins in Industriealkohol sofort abgeschafft werden. Sie belasten den EU-Haushalt mit 500 bis 800 Millionen Euro jährlich. Nun sollen sie bis 2013 schrittweise auslaufen.
Auch mit ihrem Vorschlag, für das Roden von Anbauflächen Prämien zu zahlen, setzte sich Fischer Boel nur teilweise durch. Mehrere Mitgliedstaaten hatten die Sorge, dass sich Winzer in ertragsarmen Gegenden angesprochen fühlen könnten, die für Landschaftspflege und Tourismus bedeutsam sind. Nun soll die Förderung gestoppt werden, sobald mehr als 8 Prozent der nationalen Anbaufläche betroffen ist.
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