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Archiv-Artikel

Weichspülprogramme fürs Glück

betr.: „Zelluloide Zumutung“ von Christian Buss, taz vom 16. 5. 03

Patrice Chèreaus Film „Sein Bruder“ ist in der Tat in seiner Nüchternheit beklemmend. Die Krankenhausatmosphäre ist demütigend, das Familienbild unharmonisch, die Beziehungen sind unklar. Man wird mit Narben, Schwulen und Wortlosigkeit konfrontiert, zudem ist der Todkranke auch noch ein selbstsüchtiger Charakter, hemmungsloses Mitleid nach dem üblichen „Warum ausgerechnet er?“ fällt also schwer. Kurzum eine wahre „Zumutung“ also, wie Herr Buss meint.

Ein bitterer Film über das Sterben, der keinen Trost spendet und keinen „feierlichen Fernsehabend“ bereitet. Aber besteht die moralische Aufgabe eines aufgeschlossenen Fernsehsenders wirklich nur darin, die Linse anzuhauchen und das Leben schöner zu zeichnen, als es manchmal eben ist?! Würde man den Menschen öfter etwas zumuten, vor allem mehr Ehrlichkeit, würden sie mit manchen Schwierigkeiten vielleicht besser umgehen können. Wo bleibt bei einem solchen Sterben schon der „emotionale Mehrwert“? Beim Umschalten wahrscheinlich. Fürs Glück gibt es ja noch die ganzen anderen Weichspülprogramme, die den Abend retten … VALERIE LUTZ, Lindau (Bodensee)