Web-Vermarktung von Musikvideos: YouTube rettet Plattenlabel
Plattenfirmen machen sich warm, um endich Geld mit Musikvideos auf Youtube und Co zu verdienen. Künftig wäre sogar denkbar, dass die Majors an illegal eingestelltem Material mitverdienen.
Kaum ein Video-Segment wird bei YouTube so häufig aufgerufen wie Musikvideos. Für viele Nutzer ersetzt die Website der Google-Tochter längst MTV, Viva & Co., dient als ständig laufende Jukebox im Hinter- oder Vordergrund, eingestellt ganz nach dem persönlichen Künstlergeschmack.
Das Problem: Bislang nahmen die Rechteinhaber, also Musiker und Plattenfirmen, mit solchen Angeboten keinen Cent ein, weil die Songfilmchen zumeist schlicht illegal von Nutzern auf der Plattform eingestellt wurden. In den letzten Jahren reagierten die Labels deshalb nicht selten mit bösen Briefen an YouTube und Co. oder verklagten sogar die Hochlader - und damit möglicherweise ihre eigene Kundschaft.
Doch das ändert sich nun: Immer mehr Medienfirmen schließen Verträge mit Videoplattformen, die auf die Kommerzialisierung von Musikvideos abzielen - und zwar bei gleichzeitiger Beibehaltung kostenloser Abrufe. Dass eine solche Strategie durchaus aufgehen kann, zeigen erste Zahlen des Musikriesen Universal ("U2, "Black Eyed Peas"), der inzwischen Millionenumsätze über YouTube einfährt, in dem er zahlreiche Videos gleich selbst einstellt. Denn die Labels erhalten einen Anteil an der Werbung, die parallel zu den Videos eingeblendet wird - oder die Möglichkeit, die Werbung gleich selbst zu verkaufen. Eine posltive Entwicklung für die dauerjammernde Musikindustrie: Bislang dienten Musikvideos im Musikfernsehen als reine Promotionvehikel, um die Verkäufe von CDs und Downloads anzukurbeln. Damit auch ordentliche Umsätze zu machen, ist neu.
Noch kommen die Werbeumsätze durch das Web-Videosegment zwar nicht an die mit Musik oder Konzerten heran. Ein nettes Zubrot sind sie allerdings trotzdem: "Von 2005 bis heute ging Universal von null Dollar auf fast 100 Millionen Dollar an Einnahmen", sagt Doug Morris, Chef der Plattenfirma. Das Wachstum liege in diesem Jahr bei fast 80 Prozent.
Noch praktischer ist, dass auch illegales Material künftig "legalisiert" werden könnte: YouTube und andere Filmplattformen arbeiten an einer neuen Erkennungstechnik, mit der Rechteinhaber ihre eigenen Inhalte, die von fremden Nutzern eingestellt wurden, leicht identifizieren und markieren können. So könnte dann etwa neben einem von einem Fan eingestellten Video von Justin Timberlake eine Werbung laufen, von deren Einnahmen dessen Plattenfirma die Hälfte erhält.
Experten glauben, dass solche Systeme in den nächsten Jahren stetig verbessert und automatisiert werden. "Vielleicht gibt es also für die Musikindustrie auf YouTube doch ein Happy-End", sagt ein Branchenvertreter.
Auch für die Videoplattformen selbst verspricht die Vermarktung von Musikvideos neue Chancen. Noch macht nämlich beispielsweise YouTube mit seinem Angebot aufgrund der hohen Bandbreitenkosten keinen Gewinn, Google nimmt wesentlich mehr mit von der Plattform weitergeleiteten Suchanfragen ein, trotz enormer Nutzerzuwächse. Neue, etwas härtere Werbestrategien sollen das künftig ändern. Musikvideos gelten dabei als besonders gutes Reklameumfeld, weil die Nutzer oft die vollen Kurzfilmchen über drei bis fünf Minuten ansehen, was die daneben platzierte Werbung einprägsamer macht.
Die Plattenfirmen sind nicht die einzigen Vertreter der Medienindustrie, die hoffen, über Werbevermarktungsmodelle neue Umsätze aus vormals illegal eingestellten Inhalten zu generieren. Die britische Kult-Comedy-Truppe Monty Python entschloss sich mit ihrer Vermarktungsfirma in diesem Herbst, voll auf YouTube zu setzen. Seither gibt es einen eigenen Kanal mit unzähligen Clips; daneben werden von Fans hochgeladene Schnipsel in einem langwierigen Prozess mit solchen besserer Qualität ersetzt. Auf diese Weise lässt sich von den vielen Millionen Nutzern, die bei YouTube Woche für Woche vorbeisehen, der ein oder andere Umsatzkrümel über Werbung und Merchandising einsammeln, hofft man bei den "Pythons".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!