Was zur Wahl steht : KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Nützt es etwas, vor der Wahl zu spekulieren, welche Koalition nach der Wahl in Frage kommt? Doch schon. Zumindest wenn klarer wird, was realistischerweise zur Wahl steht.
Die Konservativen kramen momentan das gute alte Volksfrontgespenst hervor. Wenn es am 19. September möglich ist, dann werde Rot-Grün sich von der Linkspartei tolerieren lassen. Das ist blanke Taktik, um Mitte-Wähler der SPD zu verunsichern – mehr nicht. Denn der mächtige Clement-Schily-Steinbrück-Flügel der SPD wird es nicht dulden, von der Linkspartei abhängig zu sein. Die SPD steckt ohnehin in einer Identitätskrise, Rot-Rot-Grün würde sie zerreißen. Die solide Abneigung zwischen Lafontaine und seinen Exgenossen kommt noch hinzu.
Auch auf der anderen Seite würde eine Tolerierung die bunt zusammengewürfelte und ohnehin einsturzgefährdete PDS/WASG-Fraktion flugs aufsprengen. Der Schritt vom Gegner der mit Eifer bekämpften „neoliberalen rot-grünen Regierung“ zu deren Retter ist für die Linkspartei einfach zu weit. Genauer gesagt: noch zu weit. Rot-Rot-Grün kann es im Bund in ein paar Jahren geben. Aber derzeit eben nicht.
Auf der anderen Seite hat Sigmar Gabriel eine Ampelkoalition ins Spiel gebracht. Wenn dies am 19. September möglich ist, solle die SPD die Gelegenheit ergreifen und Schröder Kanzler bleiben. Auch das ist nur kurzatmiges Wahlkampfgerede – mit dem Ziel, FDP-Wähler zu verunsichern, die anderes im Sinn haben, als ausgerechnet Schröder zu retten. Ein Ampelbündnis würde auf nichts als dem miesesten Motiv im politischen Geschäft gründen: reiner Machtgier, die über alle inhaltlichen Unvereinbarkeiten hinweghuscht. Nichts würde wirkungsvoller das Gefühl des Publikums bestärken, dass in der Politik sowieso alles egal ist.
Keine Ampel, kein Rot-Rot-Grün. Für die SPD sind das trübe Aussichten. Sie gewinnt zwar derzeit rasant Wähler. Doch ihr politischer Möglichkeitsraum bleibt eng: entweder Opposition gegen Schwarz-Gelb oder Juniorpartner in einer großen Koalition. Das ist die politische Logik. Die Bürger haben damit die Wahl zwischen einem Bündnis der Mitte – und einer marktliberalen Revolte. Alles andere sind Traumtänzereien und taktische Nebelkerzen.