Was tun in Hamburg?:
Di, 22. 11., 20 Uhr, Hafenklang
Polysexuelle Kirchenmusik
Vielleicht lässt sich die Musik der „Hidden Cameras“ nicht besser auf den Punkt bringen, als es deren Mastermind Joel Gibb selbst tut. „Gay church folk music“ nennt der kanadische Wahlberliner das Produkt seines mal sieben, mal siebzehn Köpfe zählenden Band-Projekts mit großer Freude an der Doppeldeutigkeit. Denn „gay“ bezieht sich einmal auf die überbordende Lebensfreude, die einem aus nahezu jedem Song des Künstler*innenkollektivs entgegensprüht. Auf der anderen Seite erregen Gibbs Texte vor allem durch ihre furchtlos-expliziten und anrührenden Untersuchungen des schwulen Alltagslebens Aufmerksamkeit. Und zwar nicht, um zu provozieren, sondern um deutlich zu machen, dass es sich dabei eben um etwas Alltägliches handelt – auch wenn schon mal lauthals gefordert wird, die Ehe abzuschaffen. Am Dienstag spielen die Queer-Kirchen-Folk-Popper im Hafenklang.
Di, 22. 11., 19 Uhr, Literaturhaus
Böse gedacht
Was ist böse, was gut? Längst verloren gegangen sei die Frage im „Nebeneinander der Monologe“ und der „Aufkündigung des Gesprächs“ irgendwo zwischen Mobbing und Hetze, psychologischen Relativierungen und allgemeiner Bedenkenlosigkeit. Das ist der bittere Befund der Hamburger Philosophin Bettina Stangneth in ihrem aktuellen Buch „Böses Denken“ (Rowohlt 2016, 254 S., 19,95 Euro). 2011 hatte Stangneth die Frage nach dem bösen Denken mit ihrem viel gelobten Buch „Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders“(Arche 2011, 600 S., 19,99 Euro) wieder auf die Tagesordnung gebracht und Hannah Arendts These von der „Banalität des Bösen“ faktenreich kritisiert: Ganz genau sei Adolf Eichmann bewusst gewesen, was er „aus Überzeugung“ getan und gewollt habe. Nun argumentiert Stangneth in ihrem vierteiligen Essay, dass das Böse mitnichten Resultat eines Mangels an Vernunft oder eines emotionalen Defizits sei: Moral beginne in der eigenen „Denkungsart“. Mörder, Folterer und Terroristen seien keineswegs dumm, Nichtwissen keine Rechtfertigung. Das Denken stolpere nicht und falle in Einsichten hinein, sondern es entwickele sie in einem zu verantwortenden Denkprozess. Wer das Böse leugne, leugne auch die Freiheit, die Vernunft und die Aufklärung. Am Dienstag diskutiert Stangneth darüber im Philosophischen Café im Literaturhaus.
Mo, 21. 11., 19.30 Uhr, Schauspielhaus/Malersaal
Selbsterforschung
Eine schonungslose Selbsterforschungs-Collage ist Hubert Fichtes autobiografischer, aber ganz und gar nicht chronologischer Entwicklungsroman „Versuch über die Pubertät“. Und wie geschaffen für die Bühne: Der uneheliche Sohn einer Souffleuse spielt schon als 14-Jähriger in Hamburg Theater, entdeckt seine Homosexualität, bemüht sich verzweifelt, mit der Realität klarzukommen und landet schließlich als „intellektueller Knecht“ in Südfrankreich. Sebastian Kreyer hat Fichtes anti-bürgerliche „Ethnopoesie“ über den schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens und Initiationsriten jetzt erstmals für die Bühne eingerichtet (Foto). Die Premiere am Samstag ist ausverkauft, für Montag gibt‘s noch Restkarten. MATT
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