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: Was soll man schon sagen?

Einen Monat hält es nun schon, das Schweigegelübde des FC Schalke 04. Ein Plädoyer wider das unproduktive Reden über den eigenen Beruf

Sagen Sie jetzt nichts. Es sei denn, Sie sind „Tagesschau“-Sprecher oder Marktschreier. Das sind Berufe, da kommt man ohne Sprache nicht weit. Das ist klar – brauchen wir jetzt gar nicht weiter drüber zu reden. Ansonsten aber: Schweigen Sie. Ja, wenn Reden nicht wirklich unabdingbar zu Ihrer Arbeit gehört, sollten Sie das Reden einfach mal eine Zeit lang lassen. Sie werden sehen, es passieren die dollsten Dinge, sagenhafte Dinge. Dinge, die bald in aller Munde sein werden. Zur Einstimmung auf Sprachlosigkeit könnten Sie zunächst einmal schweigen, wenn Sie jemand zu Ihrem Beruf befragt. Ist doch lächerlich, dass man über seine Arbeit Auskunft geben soll. Man muss ja nun wirklich kein Misanthrop sein, um zu wissen: In so manch vermeintlich harmloser Frage steckt ein heimtückischer Hinterhalt. Passen Sie also auf! Wen geht es schon etwas an, ob Sie heute in Ihrer Amtsstube einen harten oder sagenhaften Dienst hatten? Ist doch Ihre Sache, ob Sie den halben Tag die Kakteen betütert, mit Ihrem Kumpel Sportwetten besprochen oder wie ein Wahnsinniger Akten durchgearbeitet haben.

Es stünde auch um einen VW Golf nicht besser oder schlechter, wenn der Mechaniker nach erfolgreicher Reparatur genau erklärt, wie er das Problem mit der Benzinpumpe gelöst hat – oder wenn er das für sich behält. Daher ist es bekanntlich nicht üblich, dass ein Mechaniker, der verschwitzt aus der Werkstatt kommt, ohne Rücksicht auf jedwede Grundregel der Höflichkeit aus dem vergangenen Jahrhundert von Menschen mit Mikrofonen und Kameras bestürmt wird, um Fragen zum Stand der Dinge unter der Motorhaube zu beantworten. Die Fragen würden so lauten: „Und?“ Alternativ: „Mike, ein Wort zum Motor?“ Dann würde Mechaniker Mike sich müde den Schweiß von der Stirn wischen, die nun noch ein wenig schmieriger aussähe und unsicher ansetzen: „Ja gut …“ Und dann würde irgendein arroganter Depp von irgendeiner Fernsehklitsche sich vordrängeln, freundlich gucken und fies loslegen: „Mike, dein Chef will einen usbekischen Mechaniker verpflichten, der 20 Prozent billiger und doppelt so schnell ist wie du. Dein Kommentar?“ Armer Mike. Was soll er da sagen?

Das tagtägliche öffentliche Reden über den eigenen Beruf ist in der Regel unproduktiv. Entweder man lügt, oder man weiß nicht so richtig, was man sagen soll, oder man wird beleidigt, oder es kommt alles zusammen. Das ist für niemanden schön, nicht für den Redner, nicht für den mit dem Mikro und auch nicht für all jene, denen das Gerede dann als Information vorgesetzt wird. Leider begreifen das die wenigsten.

Politiker zum Beispiel gar nicht. Die reden und reden in jede Kamera, man erfährt dabei wenig, und vor allem bleibt unklar, wann sie sich um das, worüber sie so ausdauernd reden, eigentlich noch kümmern. Dabei heißt es, man solle über das, wovon man nicht sprechen kann, schweigen. Aber das ist philosophisch, also sehr kompliziert. Im Alltag verselbstständigt sich das Reden einfach. Sagt hier einer was, will dort einer antworten, wird hier einer zitiert, dann ist da einer empört. Dann wird auch viel hinterm Rücken geredet und verdreht und verzerrt und falsch verstanden. Hier plappert einer dumm, dort einer indiskret, und andernorts wieder einer intrigant. Reden schafft nur Missverständnisse. Oder Missstimmungen. Oder Misstrauen. Das muss doch alles nicht sein.

Die Lösung: Schweigen. Das macht nebenbei sogar berühmt. Erinnern Sie sich nur an Norbert Grube, den Prinzen von Homburg. Er war bestimmt kein epochemachender Boxer, aber als er vor vielen, vielen Jahren im „Aktuellen Sportstudio“ ein komplettes Interview lang einfach zu jeder Frage schwieg, da ist er unsterblich geworden.

Also, Schalker Spieler, das sieht doch gut aus für euch. Dieses Wochenende wird euer süßes, kleines Schweigegelübde einen Monat alt. Und alle haben das Balg wahnsinnig lieb. Es hat nichts als Vorteile und allgemeine Verbesserung der Lebensqualität gebracht. Ihr habt eure Ruhe, könnt intern euren Medienverfolgungswahn pflegen und euren Maulwurf aushungern. Und nicht zu unterschätzen: Auch alle anderen haben ihre Ruhe.

Nichts, das verstehen wir spätestens jetzt, wo ihr so beharrlich öffentlich schweigt, ist so überflüssig wie ein Spieler, der etwas zum Spiel sagt. Deshalb: Danke schon mal. Und wenn ihr auch diese Saison wieder mal nicht die Liga gewinnt, sondern nur Gefühlsnudeln-Meister werden solltet, dann bekommt ihr doch auf jeden Fall den Prinz-von-Homburg-Gedächtnis-Preis. Ist ja auch was Schönes, unvergesslich, und es wird noch sehr lange über euch gesprochen werden, ihr Schweiger der Herzen.

KATRIN WEBER-KLÜVER