Was macht die Bewegung?: Kein Verbündeter gegen Antisemitismus
In Berlin ist auf wenig wirklich Verlass. Dass der Bus kommt oder ein Großprojekt im Zeitplan fertig wird, darauf sollte man lieber keine Wette abschließen. Worauf man aber zählen kann wie auf das Amen in der Kirche: Mit der CDU an der Macht ist der nächste Filzskandal nicht weit.
Und trotzdem sind nun viele überrascht, dass CDU-Politiker auch beim Kampf gegen Antisemitismus Gelder in fragwürdige Kanäle geleitet haben sollen. Dabei muss man nur daran denken, wie Jens Spahn mit schmierigen Maskendeals die Pandemie bekämpfen wollte oder wie Ursula von der Leyen versucht hat, die Bundeswehr mit sumpfigen Beraterverträgen aufzupeppeln – und man versteht: In der CDU gilt von jeher, dass sich um ein Problem zu kümmern heißt, die Clique zu versorgen.
Fest steht: Die CDU hat dem Kampf gegen Antisemitismus geschadet. Es wäre zu kurz argumentiert, zu sagen, dass dies nur wegen der Art der Vergabe der Fördergelder so ist. Auch inhaltlich tun sich Abgründe auf. Ein Beispiel dafür ist Maral Salmassi. Sie sitzt im Vorstand der CDU Steglitz-Zehlendorf neben Christian Goiny, der bei der Vergabe der Gelder eine zentrale Rolle spielte. Ihr Zera Instute, ein „Kultur-Thinktank gegen Antisemitismus“, wurde mit 390.000 Euro gefördert. Aber wie interpretiert Salmassi diesen Kampf?
Ein Blick in ihre sozialen Medien gibt Aufschluss. Internationale Aufmerksamkeit bekam eines ihrer Videos, nachdem Elon Musk es nach dem rechtsextremen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt 2024 teilte. Darin verschwörungstheoretisierte Salmassi, der Täter sei in Wahrheit ein Islamist gewesen. Kein Einzelfall: Salmassi ist bekennende Anti-woke-Aktivistin, radikal proisraelisch und islamfeindlich eingestellt. Jüngst behauptete sie, der neue New Yorker Bürgermeister Zohran Mamdani treibe eine Fusion von Marxismus und Islamismus voran.
Dieser Typ Anti-Antisemitismus ist vielleicht besonders schrill, aber in der CDU kein Ausrutscher. Er richtet sich vor allem gegen die Proteste gegen Israels möglichen Völkermord in Gaza. Der Tenor ist islamfeindlich, Antisemitismus wird als angeblich „importiert“ betrachtet. Indem das Problem so auf „die Anderen“ ausgelagert wird, wird der Kampf plötzlich – ausgerechnet – zu einer neuen Quelle des deutschen Nationalstolzes. Und die Lösung lautet: mehr Abschiebungen und Polizeibefugnisse, also mehr rassistische Diskriminierung.
Dieses politische Projekt, das auch mit offiziell vergebenen Fördergeldern gegen Antisemitismus finanziert wird, mag der proisraelischen Sache nützen – mit dem Schutz jüdischen Lebens hat es wenig zu tun. Progressive dürfen nie zulassen, dass der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus gegeneinander ausgespielt werden. Die CDU aber macht genau das – und ist deshalb im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit kein Verbündeter. Wenn das im Zuge der Fördergeldaffäre mehr Menschen begreifen, hätte der Skandal am Ende wenigstens etwas Gutes. Timm Kühn
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