Was ist die „eigentliche“ SPD?

betr.: „Kein Wahlkampf für die SPD“, Leserbrief, taz vom 3. 5. 08

Leserin Marion Manneck schreibt: „Die Politik der SPD ist seit Januar 1999 alles andere als sozial. Die Partei hat sich in dieser Zeit weit von ihren Gründerzielen verabschiedet.“ Immer wieder mal ist zu lesen von „der eigentlichen SPD“. Dazu schlage ich ein paar Blicke in die Geschichte der Partei vor:

Im Jahr 1914 hat die SPD im Reichstag den Kriegskrediten zugestimmt. Gustav Noske, SPD („Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht“), ließ 1919 die Freikorps schalten und walten und war mitverantwortlich für die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht. (SPD-Seeheimer-Vormann Johannes Kahrs zählt Noske zu seinen politischen Vorbildern.) Der Berliner Polizeipräsident Zörgiebel provozierte durch ein Demonstrationsverbot und das Verbot des kommunistischen Roten Frontkämpferbunds (RFB) den Blutmai 1929.

Im Jahr 1968 stimmte die SPD den Notstandsgesetzen zu, durch die die bürgerlichen Rechte massiv beschnitten werden. Jahrzehntelang hat die SPD die „friedliche“ Nutzung der Atomkraft befürwortet und forciert. Unter der Regierung Willy Brandt wurde 1972 per „Radikalenerlass“ ein Berufsverbot für Kommunisten und Sozialisten im öffentlichen Dienst beschlossen. Für den Nato-Doppel- bzw. Nachrüstungsbeschluss (1979) war die Regierung Schmidt mitverantwortlich. Die Abschaffung des Asylgrundrechts (1992) war in erheblichem Maße ein Werk der SPD – und Lafontaine der erste Bundespolitiker, der sie gefordert hatte. Eine Bundesregierung mit SPD-Kanzler hat 1999 die Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Serbien beschlossen. „Agenda 2010“ und „Hartz IV“ gelten mittlerweile als Synonyme für soziale und finanzielle Verarmung. Beschlossen wurden sie von einer Regierung mit SPD-Kanzler. Wie war das mit den „Gründerzielen“ und der „eigentlichen“ SPD? BERND SCOPÉ, Bochum