■ Was Rosi Rolands wieder weiß: Sozialhilfe auf dem Parkplatz
Bei den Außendienst-MitarbeiterInnen von Radio Bremen ist der Trick längst bekannt. „Sie haben nicht zufällig gestern abend den Tatort im Fernsehen gesehen“, fragen sie an der Haustür ganz unbefangen – und schon haben sie wieder einen neuen Dauerauftrags- Kunden für ihre „Gebühreneinzugszentrale“ gefunden.
Neu ist allerdings, daß diese Form der überfallartigen Ausforschung auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens Einzug hält. So zum Beispiel beim Sozialamt in der Wilhelm- Leuschner-Straße. Der Fall liegt zwar schon einige Monate zurück, soll aber der interessierten Öffentlichkeit hier trotzdem nicht vorenthalten werden.
„Ist ja ein tolles Auto, das Sie da haben, gehört das eigentlich Ihnen?“ Die freundlichen Menschen, die Ende März diesen Jahres Neuankömmlinge auf dem Parkplatz vor dem Sozialamt mit dieser Frage überfielen, waren allerdings keine Autonarren. Es handelte sich vielmehr um Sozialhilfe-SachbearbeiterInnen bei der Erfüllung einer neuen dienstlichen Obliegenheit. Im Zuge einer innovativen Idee ihrer Amtsleitung waren sie gerade dabei herauszufinden, ob womöglich einer ihrer täglichen Klienten eine rollende Blechkiste sein Eigen nennt. Das ist nämlich nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht zulässig und führt, so es amtsbekannt wird, zur Kürzung der Stütze um ein paar Prozent.
Nun gilt allerdings auch für SozialhilfeempfängerInnen der Datenschutz. Direkt in die Kartei der KFZ-Zulassungsstelle darf das Sozialamt nicht gucken. Gefragt sind also kreative Mittel der Wahrheitsfindung, muß sich Sozialamtsleiterin Hebenstreit- Müller gedacht haben, und schickte flugs zwei Sachbearbeiter auf den Parkplatz. Die begannen auch eifrig zu fragen – bis zufällig ein Personalrat vorbeikam. Der fragte nicht etwa mit, wem welches Auto gehört, sondern hatte nichts besseres zu tun, als die geniale Aktion zu sabotieren und die Mitarbeiter zurück ins Haus zu schicken.
Die Folge war ein erbitterter Briefwechsel zwischen Amtsleitung und Personalrat, in dem es vor allem um die Frage ging, ob der Personalrat überhaupt habe wegschicken dürfen und ob die Abordnung von Sachbearbeitern auf den Parkplatz nicht eigentlich eine mitbestimmungspflichtige „Veränderung des Dienstortes“ sei.
So ist das eben in der Bürokratie: Endlich hat mal jemand eine frische Idee und schon endet alles wieder nur im Paragraphendschungel, meint zumindest Rosi Roland
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