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Warum vertrauen wir jungen Menschen nicht –betr.: „Fleiß soll sich wieder lohnen“ (Kopfnote), taz vom 9. 3. 99

[...] Die LehrerInnen haben ein hervorragendes technisches Druckmittel zur Ruhestellung und ein sicheres Instrument, das Kinder noch schneller an die Leistungs- und Arschkriechergesellschaft gewöhnt, sprich: anpaßt. [...] Die gesellschaftlich Verantwortlichen brauchen sich endlich nicht mehr mit den Ursachen für auffälliges Verhalten von Kindern herumschlagen, denn die führen ja doch wieder zu mehr Forderung nach sozialen Ausgleich, nach Orientierung und vor allem (!) nach Veränderung der Gesellschaft und Schule. Igittigitt, das können wir doch nun wirklich nicht wollen? Also schieben wir's der ach so geliebten Familie, wo der Vater bis zum Umfallen schuftet und die Mutter seit Jahren arbeitslos rumhängt, zu, da gehört's ja wohl hin, das Problem! Ich wünsche den Kindern schon jetzt gnädige LehrerInnen und selbstkritische, liebende Eltern, damit sie diese Kopfnoten aushalten, ohne daran kaputtzugehen...

Die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft sollten nicht ständig das Geschäft der Wirtschaft betreiben, sondern danach fragen: wo wir hin wollen und ob unsere Kinder überhaupt noch seelisch in der Lage sind, diesen Weg einigermaßen heil mitgehen zu können. Danach müßte sich auch die Bewertung und Ausgestaltung heutiger Schulpolitik orientieren. Mensch nennt das auch: Analysieren des Ist- Zustandes und Zielbestimmung für die Zukunft in Übereinstimmung mit den gebotenen Aufgaben im Heute zu bringen. Aber richtig, wir wollen ja die Gesellschaft der totalen Ökonomisierung und Kapitalisierung, was soll da das Gemenschel... Tino Kretschmann, Berlin

[...] Der Wunsch, alles mögliche zu benoten, fördert die Lernbereitschaft der jungen Menschen bestimmt nicht. Vielfach wollen sie lernen, werden aber eher daran gehindert als in ihrem Bestreben gefördert, sei es durch häusliche Umstände, sei es durch zum Teil überholte Schulstrukturen und Unterrichtsmethoden. Hinter dem Verlangen nach Zensuren verbirgt sich daß Mißtrauen den Kindern und Jugendlichen gegenüber sowie die Ansicht, daß die meisten Menschen nur unter Druck zu lernen bereit sind. Warum vertrauen wir den jungen Menschen nicht mehr? Andreas Baumgarten, Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule e.V., Hamburg

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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