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Archiv-Artikel

Warlords im Kabuler Parlament

Bei Afghanistans Wahl zeigen die vorläufigen Ergebnisse eine konservative Mehrheit. Manipulationsvorwürfe verzögern aber die Bekanntgabe des Endergebnisses

BERLIN taz ■ Mehr als fünf Wochen nach der afghanischen Parlamentswahl vom 18. September gibt es immer noch kein offizielles Ergebnis. Ursprünglich war es für vergangenen Samstag angekündigt worden. Doch die Wahlkommission musste wegen Manipulationsvorwürfen die Bekanntgabe verschieben. „Wir hoffen, bis Ende Oktober alle Vorwürfe geprüft und alle Ergebnisse bestätigt zu haben“, sagte Kommissionssprecher Alim Siddique am Sonntag der dpa.

Zuvor hatte Präsident Hamid Karsai dazu aufgerufen, das Ergebnis trotz der Vorwürfe zu akzeptieren. Die nationale Einheit sei wichtiger. Die Wahlkommission hatte vergangene Woche 50 Mitarbeiter unter Manipulationsverdacht entlassen. Der Inhalt von 650 Wahlurnen – 3 Prozent der Gesamtzahl – gilt als verfälscht, weshalb er nicht mitgezählt wird.

Die vorläufigen Ergebnisse zeichnen ein düsteres Bild. Denn mehr als die Hälfte der Abgeordneten im 249-köpfigen Unterhaus sind Milizenkommandeure, darunter ehemalige Taliban und konservative Kleriker. Etwa 50 männliche Abgeordnete gelten als Moderate, 11 sind Exkommunisten. Mit 68 weiblichen Abgeordneten sind 6 Frauen mehr im Parlament, als die Quote vorsah. Da im politischen System Afghanistans Parteien keine Rolle spielen, dürften Warlords versuchen, ihre militärische und finanzielle Macht spielen zu lassen. Dies sei schon bei der Wahl so gewesen, meint Ahmad Fahim Hakim von der Menschenrechtskommission: „Wer die Wähler einschüchterte, hat gewonnen. Die meisten ehrlichen Kandidaten wurden an den Rand gedrängt.“

Bevor es im Parlament zum Machtkampf zwischen konservativer Mehrheit und moderater Minderheit kommt, dominiert ein ähnlicher Konflikt bereits das Verhältnis von Justiz und Medien. Am Sonntag verurteilte ein Gericht in Kabul den Herausgeber der Zeitschrift Hakuk-i-San („Frauenrechte“) wegen Blasphemie zu zwei Jahren Haft. Ali Mohakik Nsab hatte die Meinung publiziert, dass die Abkehr vom Islam kein todeswürdiges Verbrechen sei. Kulturminister Sayed Makhdum Rahin kündigte Widerstand gegen das Urteil an und sagte, das Gericht habe sich nicht an die eigenen Vorschriften gehalten. SVEN HANSEN