piwik no script img

Wand und BodenSelig machen Quoten, die schon auf Erden erben

■ Kunst in Berlin jetzt: Lukas Duwenhögger, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Dünkelmann

Man muß sich das mal vorstellen: der letzte Schrei der Off- Szene ist penible, literarisierende Malerei. Was wir uns zu fürchten nicht gewagt hätten: illustre Szenen aus dem Morgenland. Der Mohr, in einen rosanen Brief lesend vertieft, liegt bäuchlings ausgestreckt auf einem Netz geflochtener Seile, unterlegt von Himmelblau. Oder auf einem Teppich, der so aussieht. Trotz oder wegen des orientalischen Ambientes sind die kleinen ostereibunten Ölbildchen durchaus abendländisch gebaut, mit säuberlich konstruierten Ein- und Ausblicken, Vor- und Hintergrund, goldenem Schnitt. Thema ist eine gewollt verquaste Homoerotik; in Gesellschaft eines verhüllten Affen machen sich vollbärtige Männer und bartlose Jünglinge fertig zum Ball („Modesalon Cosmo Sang“). Ein Glatzkopf lungert hinter einer halboffenen Tür, die den Blick freigibt auf ein vom Volumen her sehr ungleiches Männerpaar („Herrenschneiderei“). Ein bißchen Päderastie, ein bißchen Dandytum.

Nach Auskunft der Galeristen Schafhausen und Schneider, die sich Lukas & Hoffmann nennen, zeigt die Ausstellung mit zehn Bildern zwei Drittel des Schaffens von Lukas Duwenhögger aus den letzten sieben Jahren. Verkaufen sie alle Bilder und behalten die Hälfte, bliebe dem Künstler, der zehn Jahre lang an den Kunstakademien in München und Stuttgart studiert hat, im Schnitt ein Monatsumsatz unterhalb des Sozialhilfesatzes. Da soll noch mal einer sagen, es gäbe keine Idealisten mehr.

Lukas & Hoffmann, Ohlauer Straße 42, 1. Hof, wieder ab Dienstag bis zum 16. Januar, Di.–Fr. 14–18, Sa. 11–15 Uhr.

Duwenhöggers orientalische Phantastereien sind allerdings harmlos im Vergleich zu den Buntstiftzeichnungen Friedrich Schröder-Sonnensterns, die die Galerie Pels-Leusden derzeit feilbietet. Ganz deutlich hat sich Sonnenstern an Hieronymus Bosch geschult: eine Bühne von vager, landschaftlicher Tiefe, in der Tiere und Teufelchen in symbolischer Aktion gestoppt sind. Kopflose Körper, Organe verdoppelt und am falschen Platz und Augen, die überall wachsen.

Im Erdgeschoß der Villa Griesebach sind die kleinformatigen Zeichnungen zu sehen, bekannt durch die eigentümlichen runden Ecken. Diese kleinen Zeichnungen tragen Texte, die die Darstellungen kommentieren; wenige Zeilen, die mit Bleistift in Blockbuchstaben unter die Bilder geschrieben sind. So wird uns eine Tramperin als „Madam Lameuo“ vorgestellt, „Steh-, Warte,- und Liebe-Mondweltmeisterin alter und neuer Art“. An der Straße stehend, hebt sie für „Mr. Rasewitz, dreifacher Rennweltmeister aller neuen und alten Lauf- und Zerteilungskünste“, ihren Mantel, um dort, wo sich Bauch und Scham zeigen würden, einen runden Pfirsicharsch zu präsentieren. Ein Lieblingsmotiv von Sonnenstern. Rasewitz nähert sich in einer unwahrscheinlich winzigen Kiste. Das gelungste Motiv der kleinformatigen Zeichnungen ist vielleicht eine von „Sonnenstern's Gestalten“, „Juckelche“ als lächelnder Schwimmer mit ballonförmiger blauer Badehose, auf einem grauen, in der Diagonalen ansteigenden Blasenmeer treibend. Und der bündigste Text findet sich auf dem Blatt „Monument der Toten“: „Selig sind die Toten die im Herrn sterben und selig machen Quoten die schon auf Erden erben“.

Zu denen hat Sonnenstern übrigens auch gehört: nach einem legendären Leben als Landstreicher, in Irrenhäusern, als zweifelhafter Wohltäter und Sektenführer fand sich Sonnenstern, bereits 57 Jahre alt, im Nachkriegs-Berlin als Künstler wieder, und als der hat er es zu Erfolg gebracht. Sonnenstern, der 1982 starb, hinterließ eine Menge von Freunden, die sich schon lang nicht mehr grün sind — die zu erwartende Hinterlassenschaft eines Schizophrenen, der starke Solidaritätsphantasien auslöste und der, als der Bedarf an Sonnensterns in den fünfziger und sechziger Jahren erheblich stieg, eine Art Manufaktur einrichtete: die besten Motive wurden auf Packpapier gepaust und als Schablone verwendet — bei Pels-Leusden sind einige der Pappen zu sehen. So gab es von jedem Motiv mehrere Fassungen, mit Abweichungen in den Farben und kleinen persönlichen Ergänzungen. Sonnenstern zeichnete auf Bestellung und hatte auch Helfer, so daß die Provinienz etlicher Blätter umstritten ist.

Im ersten Stock der Villa in der Fasanenstraße sind die plakatgroßen Formate zu sehen, in den Farben viel kräftiger, im Entwurf dekorativer und in der Ausführungen äußerst penibel. Die meisten Motive sind symmetrisch gebaut, Ausdruck einer ganzheitlichen Weltvorstellung, die das Formenrepertoire sehr gewollt, maniriert erscheinen läßt. Das sozialkritische Moment geht im Fabulieren unter, und die Texte, viel Grund zur Heiterkeit, fehlen sehr. Die Motive und Details wiederholen sich, irgendwas zwischen Bosch, Grosz, Mirò und Janosch — eben Sonnenstern.

Galerie Pels-Leusden in der Villa Griesebach, Fasanenstraße 25. Bis zum 23. Januar. Mo.–Fr. 10–18 Uhr.

Ein Kerzenfest am Vorabend des orthodoxen Weihnachtsfestes: in der tiefen, schmalen Galerie „Unwahr“ ein paar Schritte von der Auguststraße stehen dunkle Gestalten um den Ofen, jene vorgebeugte Haltung als Ausdruck der Verschlossenheit (oder des Frierens). Die Bilder — hölzerne Hochformate mit schwarzem und rotem Grund, spiraliger Bemalung, Gespraytem und Geklebtem — scheinen nicht das wichtigste zu sein, sondern die Anordnung, das symmetrische Arrangement von Kerzen und Bildern, die schwerfälligen Kunstledersessel in der Mitte. Eine stille Feier, heute nicht für oder gegen etwas, sondern ganz für sich. Von der Decke grüßt eine mechanische Biene mit roten Flügeln, die Scheinwerferaugen reflektieren sanft das Licht. Bei indischer Musik geben sich die letzten Clowns der DaDaEr ein Stelldichein.

Dünkelmann: „Das sakrale Engagement“, Galerie Unwahr, Kleine Hamburger Straße 16 (fast Ecke Auguststraße). Bis zum 17. Januar, täglich 16–19 Uhr

Ulf Erdmann Ziegler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen