"WamS" und "Welt" sind sauer: Springer mahnt Bildblog ab
Der Springer-Verlag geht juristisch gegen Niggemeiers Bildblog vor. Der Watchblog hatte Schleichwerbung in der Welt thematisiert. Diese harte Gangart ist neu.
BERLIN taz | Harte Gangart zwischen Bildblog und Springer: Bislang drosch der Pressekonzern eher verbal auf die Pressekritiker um Stefan Niggemeier und sein Watchblog ein ein - und zog fast immer den Kürzeren. Jetzt geht der Springer-Konzern erstmals juristisch gegen die Bildblogger vor. Interessanterweise ist aber nicht etwa das Blatt, dass dem Blog den Namen gab, Absender. Sondern die Welt-Gruppe, genauer gesagt ihr Online-Ableger und die Welt am Sonntag.
Nach Bildblog-Angaben flatterten schon vorletzte Woche gleich zwei Unterlassungsverfügungen und eine Gegendarstellung ins Büro. Die dadurch angeblich entstandenen Anwaltskosten will Springer nun erstattet bekommen - 2407,36 Euro, für die Blog-Verantwortlichen kein Portokassen-Sümmchen.
Hintergrund ist ein Schleichwerbefall auf welt.de. Der fragliche Artikel, der ob seiner Begeisterung für ein alkoholhaltiges Erfrischungsgetränk kaum sein Wasser halten konnte, wurde vom Presserat wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 7 des Pressekodex gerügt. Dieser regelt die Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung. Bildblog hatte am 9. April hatten darüber berichtet, wie schwer sich Welt Online damit tat, die Rüge für den Artikel zu akzeptieren und behauptet, dass diese Rüge immer noch nicht veröffentlicht sei. Doch das war falsch.
Abonnieren Sie die Digitaz und lesen Sie abends schon die komplette taz von morgen. Direkt auf Ihrem Computer. Einen Monat lang. Für nur 10 Euro.
"Sobald wir unseren Irrtum ein paar Stunden später bemerkt hatten, strichen wir die beiden fehlerhaften Sätze in unserem Eintrag durch und fügten eine Korrektur hinzu, in der wir auf die Veröffentlichung hinwiesen", schreibt Bildblog zu dem Fall: "Dennoch wurden wir eineinhalb Stunden später von der Geschäftsführung der Welt abgemahnt." Mittlerweile, so Niggemeier zur taz, bestehe Springer auch nicht mehr auf die Unterlassungserklärungen oder die Gegendarstellung - will aber die Kohle für die Anwaltskosten. Denn Bildblog habe die "Unternehmenspersönlichkeitsrechte Springers verletzt" und sei daher verpflichtet, zu zahlen. Jetzt sieht man sich wohl vor Gericht. Die Blogger-Kasse wird aber auch jetzt schon geschröpft: Laut Bildblog sind durch den Fall schon Kosten von über 2000 Euro für den eigenen Anwalt entstanden.
Fragt sich immer noch, warum ausgerechnet Springers Welt hier so energisch reagiert. Eine Antwort könnte darin liegen, dass Bildblog hier als Blitzableiter für eine ganz andere Geschichte herhalten darf. Für den Deutschen Presserat nämlich, womit wir bei der Welt am Sonntag (WamS) wären. Denn die Selbstaufsicht der deutschen Presse hatte gleichzeitig mit dem Fall bei welt.de auch der WamS eine Rüge verpasst: "Mein erster Flug in der First Class" hatte die WamS derart begeistert, dass der Namen der Fluglinie nicht weniger als 14 Mal im Text genannt wurde.
"Die aus seiner Sicht ausschließlich positiven Erfahrungen" habe der Autor "so schwärmerisch" dargestellt, dass die Grenze zur Schleichwerbung (...) deutlich überschritten wurde", urteilte der Presserat. Und garnierte seine entsprechende Pressemeldung vom Dezember 2009 mit der Überschrift "Erstklassige Schleichwerbung". Ironie vom Presserat? Bei der Welt am Sonntag mag man so etwas gar nicht.
***
Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.
Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen