■ Wahlschlappe bei der Neu-Ulmer Kreistagswahl: Standort Musikantenstadl
Schon seit einigen Jahren sorgen sich PolitikerInnen aller Parteien um die stetig wachsende Zahl der NichtwählerInnen. Immer mehr Menschen bleiben einfach zu Hause, anstatt gefälligst mit ihrem Kreuzchen die Geschicke des Landes mitzubestimmen. In der letzten Zeit meinte man, den wahren Grund für die Wahlmüdigkeit gefunden zu haben: die abschreckende Wirkung der Wahlwerbung. Aber ist das wirklich wahr?
Sicher, die Slogans der Parteien hatten es in der Vergangenheit tatsächlich kaum in sich. Wurden früher noch klare Worte gesprochen („Willy wählen“), so setzen die Wahlplakattexter heute auf Schwammigkeit. „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, „Standort Deutschland sichern“, „Politik ohne Bart“ – Parolen dieser Art, kritisieren Wahlkampfanalytiker, enthielten keine Aussage. Denn was, fragen sie, heißt schon „Arbeit, Arbeit, Arbeit“? Mehr Arbeit? Arbeit für alle? Plakatekleben ist Arbeit?
Auf „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, behaupten die Experten, reagieren potientielle WählerInnen nicht. Er genieße lieber den Sonntag und ein Formel-eins-Rennen im Nachmittagsprogramm.
Vor diesem Hintergrund entwickelte Georg Vogel seine Kampagne anläßlich der bayrischen Kreistagswahl. Nicht „Georg Vogel, unser Mann für Neu-Ulm“ lautete sein Text, auch nicht „Fortschritt durch Vogel“. Nein, Georg Vogel trat an, bayrische Traditionen zu bewahren. Ein Politiker, der etwas will. Ein entschlossener Mann, der keine vagen Versprechungen macht, sondern sich ein Ziel gesetzt hat: die Volksmusik weiter zu vertreten.
Angesichts von Millionen, die Maria Hellwig verehren oder „Herzilein“ auswendig und rückwärts singen können, hätte Georg Vogel also eigentlich als klarer Wahlsieger aus dem Kampf um einen Sitz im Kreistag hervorgehen müssen. Doch das Unfaßbare geschah: Vogel erhielt nur 14.669 Stimmen und muß sich deshalb zu den Ersatzleuten zählen. Und damit ist bewiesen, daß es den WählerInnen eben doch nicht auf Inhalte ankommt. Vogels Versuch, mit seiner kulturpolitischen Forderung die Massen zu mobilisieren, schlug eindeutig fehl. Zu sehr schon ist der Wähler auf die „Standort Deutschland sichern“- Phrasen eingeschworen.
Vermutlich wird sich Vogel nach dieser Schlappe von seinem Beraterteam trennen. Das wäre ein richtiger Schritt. Denn eines ist sicher: Wäre Georg Vogel mit dem unschlagbaren Slogan „Humba, humba, humba“ angetreten – er könnte heute noch in Neu-Ulm daran arbeiten, den Untergang des Abendlandes zu verhindern. Carola Rönneburg
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