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Wahlkampfvolksmusik, Korruptionsanfälligkeit als Vaterlandsliebe und Brüsseler KanäleEin ganz normales EU-Land

Foto: privat

So nicht

Doris Akrap

Im Süden eines kleinen Landes in Europa heißen Nachbars Kinder Vito und im Radio wird über das „Phänomen Populismus“ gesprochen. Aber es ist nicht Italien.

In einem kleinen Hafenstädtchen im Süden dieses Landes läuft ein Dokumentarfilmfestival im Sommerkino und die Zuschauer verstehen die Dialoge nicht, weil die regierende rechtskonservative Partei ihre Wahlkampfversammlung direkt vor dem Kino mit einer Volksmusikband abhält. Aber es ist nicht Frankreich.

Alles in diesem Land ist das Beste, wo gibt. Die Hymne heißt „Unsere schöne“. Will man jemandem seine Sympathie zeigen, sagt man hier: „Du bist eine von uns.“ Wenn es um den Wein, die Oliven, den Käse, das Meer oder die Müllabfuhr des Landes geht, sagt man hier: „Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.“ Aber es ist nicht die Türkei.

In mein kleines Fischerdorf im Süden wurde nach 343 Jahren vor zwei Wochen die Kanalisation gelegt. Brüssel zahlt. In dem Dorf sagt man: „Unsere schöne Scheiße ist noch immer irgendwohin geflossen. Jetzt eben in die EU.“ Aber es ist nicht Bulgarien.

In diesem kleinen Land in Europa waren am Sonntag Lokalwahlen. In der Hauptstadt wird der amtierende Bürgermeister in seine sechste Amtszeit gewählt, weil er seine Korruptions­anfälligkeit als Vaterlandsliebe ausgibt. In der zweitgrößten Stadt fordert der knapp unterlegene Kandidat, der seine Korruptionsanfälligkeit als Vaterlandsliebe ausgibt, die Neuauszählung der Stimmen. Elf Prozent der abgegebenen Wahlzettel sind ungültig. „Das waren Stimmen für mich.“ Ein Witz geht um: „Du musst deinen Wählern erklären, dass man ein Kreuz machen muss und nicht ein Stück Schinken auf den Wahlzettel kleben darf.“ Der Mann ist Besitzer einer Supermarktkette und wurde vor vier Jahren abgewählt. Im damaligen Wahlkampf hatte er sich besoffen im Jogginganzug mit einem Bier in der Hand eine Scheibe Schinken an die Stirn geklebt. In diesem Wahlkampf war er wieder im Jogginganzug zu sehen: als Jogger. Aber es ist nicht Rumänien.

Ein Großteil der Wähler dieses Landes ist nicht wählen gegangen. Aber es ist nicht England.

In meinem kleinen Fischerdorf im Süden dürfen 83 Leute wählen. Es haben nur die gewählt, die die rechtskonservative Partei wählen. In dem Dorf sagt man mir: „Dein Freund soll ruhig noch ein bisschen im türkischen Knast bleiben, dann kommen die deutschen Touristen alle zu uns.“ Aber es nicht Spanien.

In dem kleinen Hafenstädtchen betrinkt sich am Wahl­abend die Jugend in der alternativen Kneipe. Sie sind nicht wählen gegangen. Sie reden über eine Boeing, die wieder durch die Gassen geflogen sei. Die Boeing ist eine Eule, die kürzlich einen kleinen Malteser, der mit seinem Besitzer an der Riva flanierte, in den Himmel gehoben hat. Der Besitzer rannte durch die Altstadt mit der Leine in der Hand, an dessen Ende sein Hund durch die Luft flog. Die meisten Leute dachten, am Ende seiner Leine sei eine Drohne. Das Land, in dem Eulen Hunde durch die Luft tragen, heißt Kroatien. Ein ganz normales Land der EU.

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