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WahlkampfLieber Käse als kein Hunger

■ Warum wir welche Partei ins Europaparlament wählen sollen

Die Stadt füllt sich wieder mit Plakaten, die Europa-Wahlen stehen bevor. Wir sollen zur Wahl gehen. Warum, fragt sich der interessierte Wahlbürger. Die Plakate geben Antwort.

Vor „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ bin ich vor einigen Tagen wie geschlagen stehen geblieben. Die optischen Krawallbrüder: die Sozis. Dabei war es doch unser Kanzler, der davor gewarnt hat, aus unserem Land einen „kollektiven Freizeitpark“ zu machen..„Arbeit, Arbeit, Arbeit“ klingt wie eine Fortsetzung dieses Themas, er paßt ja auch in die LandschafNur eines habe ich nicht ganz verstanden: Warum steht das „SPD“ so ganz klein und verschüchtert auf dem Plakat?

Zum Thema Arbeit ist auch der PDS was eingefallen, sogar mit Variationen: „Arbeit, Solidarität, Gerechtigkeit“. Doll, alte Forderungen der Arbeiterbewegung. PDS, werden Sie denken, machen die denn eigentlich was in Bremen? Eben nicht. Wohl deswegen haben die Genossen auch dazugeschrieben: „Wir versprechen nichts.“ Ein klares Wort. Die wollen nicht gewählt werden. Wird gemacht.

Am nächsten Baum erwartet mich „Deutschland zuliebe“ die CDU, komisch irgendwie, eigentlich ist doch Europawahl. Oder „Bremens Zukunft in Europa“, Ulrich Nölle im Subtropia. Wenn der Sparkassen-Mann mit dem Zahnpasta-Werbegesicht nach Brüssel hinter die bremische Landesgrenze gehen würde, wäre das glatt ein Grund, CDU zu wählen. Geht er aber nicht. Braucht sich keiner Hoffnungen zu machen. Auch Peter Kudella nicht, der auf anderen Plakaten zu sehen ist. Da gefällt mit das Bild vom Familienspaziergang im deutschen Wald (mit Jagdhund) unter dem Motto „Frieden für alle“ schon besser. Die Zeitungen behämmern uns mit quälenden Nachrichten, die das schöne Wort Frieden mit unschönen Bilden aus Bosnien in Verbindung bringen. Das ist bei der CDU nicht zu befürchten: Frieden, das ist schön und grün. Fragt sich bloß noch, wieso es ausgerechnet ein Jagdhund sein mußte.

Die Grünen lassen sich mal wieder nicht übertreffen, rein werbetechnisch. „Lieber ein grünes Europa als eine zerstörte Welt“ steht einen Baum weiter. Jawoll! Die Grünen lassen sich die Themen nicht aufzwingen. Im Bundestagswahlkampf 91 hatten sie die Parole ausgegeben: Alle reden von Deutschland - wir reden vom Wetter. Diesmal wollten sich die Grünen offenbar nicht so eindeutig äußern. Sonst wäre ja „Lieber ein zerstörtes Bosnien als ein Abweichen vom Pazifismus“ in die engere Wahl gekommen. „Lieber ein grünes Europa, als eine zerstörte Welt“ – wer wollte dazu schon nein sagen?

Die Grünen haben aber noch anderes auf Lager. Zum Beispiel: „Lieber Europa erweitern als Demokratie beschränken“. Komme keiner mehr und behaupte, „Europa“ bedeute mehr Zentralismus und weniger Demokratie. Am allerschönsten ist die grüne Variante des Sarotti-Mohrs: Da darf ein demütig dreinblickender Schwarzer eine Sonnenblume darbieten. Fehlt nur noch der Einwurfschlitz für die Kollekte, wie bei den Nicknegern, die frühere in den Kirchen zu finden waren. Wäre auch ein Ausweg aus der Finanzkrise der Parteien.

Fazit, ganz im Sinne der grünen Parolenwirrnis: Lieber Käse als kein Hunger. Lieber zur Wahl gehen als kein Kreuz machen können. Keine Parole in diesem Sinne, nämlich –ne echte Alternative wäre: Lieber die Parteien für doof halten als selber doof sein. K.W.

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