Wahl in Hamburg: SPD ist einsame Spitze
Die Hamburger SPD erringt in Hamburg sensationelle 48,3 Prozent. Die Grünen können dagegen von der vorgezogenen Wahl nicht profitieren. Schlimm wurde es für die CDU: Sie halbiert ihr Ergebnis.
HAMBURG taz/dpa/rtr/dapd | Er blieb hanseatisch. Schon während des Wahlkampfs um Ernsthaftigkeit und Seriosität bemüht, ließ sich Hamburgs künftiger SPD-Bürgermeister Olaf Scholz selbst bei seinem Einzug auf die SPD-Wahlparty in der "Fabrik" nicht von den "Olaf! Olaf!"-Rufen mitreißen. Nur ein spitzbübisches Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht, als ihm die mehr als 1000 anwesenden Sozialdemokraten zujubelten, und viele "Wir danken Dir" riefen.
Schließlich ist Scholz gelungen, was bislang kein Politiker in Hamburg geschafft hat: Er befreite seine Partei nicht nur nach fast zehn Jahren aus der Opposition, sondern errang dabei auch gleich noch die absolute Mehrheit.
Die CDU verlor dagegen die Hälfte der Stimmen und kam auf erschütternde 21,9 Prozent. Damit hatte die Partei selbst das schlechteste Umfrageergebnis noch einmal deutlich unterboten. Der bisherige Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) sprach von einer "Stunde der Ratlosigkeit" für seine Partei.
Vorläufiges amtliches Teilergebnis (nur Auszählung der Zweitstimmen):
SPD: 48,3% (2008: 34,1%)
CDU: 21,9% (42,6%)
GAL: 11,2% (9,6%)
Linke: 6,4% (6,4%)
FDP: 6,6% (4,8%)
Andere: 5,6%
Als Begründung für das Wahldesaster führte Ahlhaus die schwarz-grüne Koalition an. Der Versuch dieses Bündnisses sei zwar richtig gewesen, doch die zu weitgehenden Zugeständnisse an den grünen Koalitionspartner hätten die Wähler nicht mehr nachvollziehen können.
Unzufrieden waren auch die Grünen – trotz des Zugewinns von 1,6 Prozentpunkten. So verteidigte Spitzenkandidatin Anja Hajduk, unter Schwarz-Grün Umweltsenatorin, zwar die Neuwahlentscheidung, räumte aber zerknirscht ein: "Wir wollten es schaffen, eine SPD-Alleinregierung zu verhindern. Das ist uns nicht gelungen."
Die Hamburger FDP konnte 6,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. "Wer hätte das vor zwei Monaten noch gedacht?", fragte Spitzenkandidatin Katja Suding stolz am Sonntag. Damit können die Freidemokraten erstmals seit 2004 wieder ins Parlament der Hansestadt einziehen.
Die Linken in der Hamburger Bürgerschaft konnten mit 6,4 Prozent ihr Ergebnis halten. Der Wähler habe "die gute Oppositionsarbeit" honoriert, begründete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christiane Schneider im NDR.
Jeder Wähler konnte insgesamt 20 Kreuze auf den Wahlzetteln setzen. Die Wahlbeteiligung lag mit nur 57 Prozent deutlich unter der bei der vergangenen Wahl 2008. Die Auszählung aller Wahlzettel bis zum vorläufigen amtlichen Endergebnis wird fast vier Tage dauern. Die Zweitstimmen dagegen waren am Sonntagabend bereits ausgezählt.
Höhenflug während des gesamten Wahlkampfs
Seit Wochen hatte sich ein deutlicher Wahlsieg von Scholz und der SPD abgezeichnet. Die GAL hatte jedoch bis zuletzt auf eine rot-grüne Koalition gehofft. Jetzt muss sie sich vom Regieren verabschieden. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Thomas Oppermann, zeigte sich erfreut über den Wahlsieg. "Die SPD und Olaf Scholz haben die gesellschaftliche Mitte zurückerobert", sagte Oppermann. "Eigentlich sind in einem Fünf-Parteien-System keine absoluten Mehrheiten mehr möglich."
Eckart von Klaeden (CDU), Staatsminister im Kanzleramt, meinte nach der ersten Prognose: "Christoph Ahlhaus ist es in der kurzen Zeit wohl nicht gelungen, sich als Bürgermeister zu profilieren."
"Wir haben zugelegt aus einer schwierigen Situation, wo der ehemalige Koalitionsparter dramatisch verloren hat", beurteilte der Grünen Parteichefs Cem Özedemir die Leistung der eigenen grünen Landespartei GAL. "Die Hamburgerinnen und Hamburger wollten offensichtlich klare Verhältnisse und haben deshalb SPD gewählt."
Lokale Themen gaben den Ausschlag
Laut Forschungsgruppe Wahlen gab für 82 Prozent der Befragten in Hamburg die Lokalpolitik den Ausschlag für ihre Wahlentscheidung, nur für 16 Prozent die Bundesebene. Die CDU habe gravierende Kompetenzverluste in vielen wichtigen Politikfeldern zu verzeichnen. Die SPD wurde in allen Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei. Eine personell und inhaltlich überzeugende SPD sei auf einen denkbar schwachen politischen Gegner getroffen.
Nach Überzeugung des Politikwissenschaftlers Peter Lösche kann die SPD bundesweit lernen, dass sie Wahlen nur im Spagat gewinnen kann. "Olaf Scholz hat das Bürgertum in der Mitte und gleichzeitig das Thema soziale Gerechtigkeit angesprochen." Dagegen habe die CDU nach dem Rücktritt von Ole von Beust keine Chance gehabt. Sie werde von den Wählern nicht für kompetent gehalten.
Schwarz-Grünes Scheitern in Hamburg
Knapp zweieinhalb Jahre hatte - zum ersten Mal auf Landesebene - eine schwarz-grüne Koalition die Geschicke an der Elbe bestimmt. Sie scheiterte mit einem zentralen Projekt, der Schulreform, am Widerstand der BürgerInnen. Während Schwarz-Grün eine sechsjährige Primarschule durchsetzen wollte, bei der Kinder länger gemeinsam lernen, organisierte eine Bürgerinitiative den Protest - und stoppte das ambitionierte Projekt mit einem Volksentscheid am 18. Juli.
Am gleichen Tag kündigte Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen Rücktritt an. Von Beusts Nachfolger wurde Ahlhaus, der bis dahin Innensenator in der schwarz-grünen Regierung gewesen war. Nachdem von Beust, Architekt von Schwarz-Grün, das Rathaus verlassen hatte, knirschte es zwischen Union und Grünen an immer mehr Stellen, bis die Grünen schließlich im November 2010 ganz aus der Koalition ausstiegen.
Aufgrund des komplizierten Wahlsystems lagen die ersten Hochrechnungen am Sonntag erst spät vor. Rund 1,3 Millionen Hamburger waren aufgerufen, an die Urnen zu gehen und neben dem Landesparlament auch noch die Kommunalvertretungen (Bezirksversammlungen) zu bestimmen.
In Hamburg regiert die CDU seit fast zehn Jahren in wechselnden Koalitionen, von 2004 bis 2008 sogar mit absoluter Mehrheit. Die Christdemokraten hatten 2001 die SPD nach 44 Jahren ununterbrochener Macht abgelöst.
Mit der Landtagswahl in Hamburg verliert Schwarz-Gelb im Bundesrat an Boden. Nach der Niederlage der CDU in der Hansestadt verkleinert sich das Lager von Union und FDP in der Länderkammer von 34 auf 31 Sitze, das Oppositionslager verfügt nun über 24 statt 21 Sitze. Folgen für die Machtverhältnisse in dem Gremium hat dies nicht. Auch bisher reichte die Stimmenzahl von Schwarz-Gelb nicht, um dort im Alleingang wichtige Gesetzesvorhaben zu beschließen. Dafür ist die absolute Mehrheit der insgesamt 69 Bundesratssitze nötig - und die liegt bei 35.
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