Waffenruhe im Südkaukasus gebrochen: Krieg trotz Frieden
Trotz offizieller Waffenruhe dringt russisches Militär in Georgien vor. Georgien berichtet, russische Truppen versuchten, Tiflis zu umzingeln. US-Präsident Bush fordert die Russen zum Rückzug auf.
![](https://taz.de/picture/381116/14/Gori.jpg)
GORI/BRÜSSEL afp/rtr/dpa/taz Trotz der Einigung zwischen Georgien und Russland auf einen Friedensplan sind die Kriegshandlungen im Kaukasus zumindest von russischer Seite fortgesetzt worden. Ein Konvoi russischer Panzer, Panzerfahrzeuge und Lastwagen rollte von der georgischen Stadt Gori aus in Richtung der Hauptstadt Tiflis, wie ein Reporter aus Gori berichtete. Tiflis liegt rund 80 Kilometer südöstlich von Gori.
Der georgische Präsident Michail Saakaschwili sagte gegenüber CNN, russische Truppen versuchten, Tiflis zu umzingeln. Bei einer Pressekonferenz berichtete er, russische Panzer würden in Gori Gebäude zerstören und auf Menschen schießen. Die russischen Truppen seien "äußerst aggressiv, sie sind dabei, die ethnische Säuberung meiner Bevölkerung zu vollenden".
Der Chef des georgischen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja, sagte zuvor, nach Gori seien 50 russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge vorgedrungen.
Die russische Armee wies die Vorwürfe zurück. Weder russische Truppen noch verbündete Streitkräfte hielten sich in Gori auf, sagte ein Vertreter des russischen Generalstabs laut russischen Nachrichtenagenturen. Moskau hat jedoch bestätigt, dass Russland militärisches Material aus georgischen Basen abtransportiert. In der Stadt Poti wurde der Hafen gesperrt. Der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew, räumte zudem ein, dass die russische Luftwaffe erneut Schläge gegen militärische Ziele in Georgien geführt habe.
Aus Südossetien berichteten Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von vier zerstörten und zum Teil noch brennenden georgischen Dörfern. Sie seien von südossetischen Milizionären angezündet worden, die in Lastwagen durch die Gegend führen und plünderten. Ein Ossete sagte gegenüber der Organisation: "Natürlich haben sie das Recht, jetzt den Georgiern Sachen wegzunehmen, weil sie ihr Eigentum in Zchinwali und anderen Orten verloren haben."
Vor den russischen Panzerbewegungen um Gori hatten Russland und Georgien einem von der EU vermittelten Friedensplan zugestimmt, der unter anderem das sofortige Einstellen aller Feindseligkeiten vorsieht. Polen und die drei baltischen Staaten kritisierten den Friedensplan. Die territoriale Integrität Georgiens sei darin mit keinem Wort erwähnt.
Russland warf der georgischen Armee vor, sich nur langsam zurückzuziehen. Die Konzentration georgischer Truppen in der Nähe der Sicherheitszone zwischen Südossetien und dem Rest Georgiens gebe Anlass zu Besorgnis, sagte der Vizechef des russischen Generalstabs in Moskau.
Die EU-Außenminister sprachen sich bei einer Sondersitzung in Brüssel für ein stärkeres Engagement in Georgien aus. Erwogen wird dabei auch die Entsendung von Beobachtern zur Absicherung des Waffenstillstands. Die unbewaffneten Beobachter sollen die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) unterstützen, die ihre Präsenz in Georgien von 200 auf 300 Personen aufstocken will.
US-Präsident George W. Bush hat unterdessen die US-Streitkräfte mit einem humanitären Einsatz in der Krisenregion beauftragt und Moskau vor schwer wiegenden Folgen gewarnt. Die US-Luftwaffe und die Marine sollten in den nächsten Tagen Medikamente und andere Hilfsgüter nach Georgien bringen, sagte Bush in Washington. Er kritisierte: "Russlands anhaltendes Vorgehen wirft ernsthafte Fragen zu seinen Absichten in Georgien und der Region auf." Bush deutete an, dass Moskau international die Isolierung drohe, sollte es seinen Kurs nicht ändern.
Ähnlich äußerte sich auch der britische Außenminister David Miliband. Ein französischer Regierungsvertreter gab dagegen Saakaschwili die Schuld an der Eskalation des Konflikts, warf aber Russland eine deutliche Überreaktion vor.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau