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Archiv-Artikel

WTO-MEDIKAMENTENSTREIT: EIN KOMPROMISS, DER KEINER IST Ungleichbehandlung bleibt bestehen

Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen haben mit ihrer Kritik leider völlig Recht: Der Kompromiss im Medikamentenstreit, dem der Generalrat der Welthandelsorganisation (WTO) nach vorheriger Ablehnung nun doch noch zugestimmt hat, löst das zentrale Problem nicht. Und das heißt nach wie vor: Hunderten Millionen Menschen in den ärmeren Ländern des Südens wird die Versorgung mit gesundheitsfördernden, oft gar lebensrettenden Medikamenten verweigert, weil die westlichen Industriestaaten – in erster Linie die USA, Deutschland, Japan und die Schweiz – die Milliardenprofite ihrer Pharmakonzerne schützen.

Dieser unerträgliche Skandal hatte bei der letzten WTO-Ministerkonferenz vor zwei Jahren in Doha immerhin zu der Grundsatzvereinbarung geführt, dass der Zugang zu preislich erschwinglichen Medikamenten und die Gewährleistung einer öffentlichen Gesundheitsversorgung künftig Vorrang genießen sollen vor den Patentschutzinteressen der Konzerne. Doch der hochkomplizierte Kompromiss vom Wochenende mit all seinen hohen bürokratischen Hürden und schwer erfüllbaren Bedingungen für den Import billiger Generika wird in der Praxis auf das Gegenteil hinauslaufen – trotz aller anders lautenden Bekundungen.

Das zentrale Problem der Ungleichbehandlung bleibt bestehen: Herstellerländer von Generika wie Brasilien oder Indien können von Bayer, Roche und anderen multinationalen Pharmakonzernen Preissenkungen verlangen, indem sie mit der Erteilung von Zwangslizenzen an die eigene Industrie drohen. Schwächere Länder ohne eigene Generikaproduktion wie Guatemala, Kenia oder die Philippinen können dies nicht und bleiben bei dem Import von Generika auf die Zustimmung der WTO angewiesen. Dennoch ist zu befürchten, dass der faule Kompromiss bei den Medikamenten von den Industriestaaten dazu benutzt wird, den Ländern des Südens bei der nächste Woche beginnenden WTO-Ministerkonferenz im mexikanischen Cancun Konzessionen bei anderen Verhandlungsthemen abzuverlangen. ANDREAS ZUMACH