WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
In Zeiten wie diesen, wo die Religion wieder ungeahnte Popularitätswerte erreicht, geraten auch die Heuchler verstärkt ins Visier, die die Sehnsucht der Menschen nach Sinn missbrauchen. Vor etwa 350 Jahren hat Molière zur Verdeutlichung des Phänomens den „Tartuffe“ erfunden und die Zeitgenossen mit dieser Figur so erschreckt, dass das Stück nach seiner Uraufführung verboten wurde. Inzwischen gehört Tartuffe, der sich im Haus des Herrn Orgon eingenistet hat und so überzeugend frömmelt, dass der ihn zum Erben seines Vermögens macht, zu den berühmtesten Theaterfiguren überhaupt. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters hat sich jetzt Robert Schuster der Sache angenommen, und im TiK in der Boxhagener Straße inszeniert Alexander Saidow Molières unheimliche Komödie. Dass es Komödien in sich haben, kann man immer wieder im Renaissance-Theater studieren, das sich auf hochkarätiges Boulevardtheater spezialisiert hat. Dort inszeniert ab Samstag Felix Prader Fabrice Roger-Lacans Midlifecrisis-Zweimänner-Stück „Der Krawattenklub“ mit David Bennent. Prader ist besonders mit Inszenierungen von Stücken Yasmina Rezas aufgefallen, der größten Komödienschreiberin, die es gerade gibt. Legendär wurde besonders seine Schaubühneninszenierung von „Kunst“. Weniger lustig geht es in Racines Tragödie „Phädra“ zu. Der ungarische Dramatiker Istvan Tasnádis hat die tödliche Liebesgeschichte von Königin Phädra und ihrem Stiefsohn Hippolytos neu bearbeitet und Arpad Schilling hat den Stoff für die Salzburger Festspiele inszeniert. Ab morgen ist „Phaidra“ in den Sophiensaelen zu sehen. Die Volksbühne feiert am Sonntag ab 11 Uhr den 30. Jahrestag des Endes des Vietnamkrieges nach und veranstaltet zu diesem Zweck nochmal einen „Viet Nam“-Kongress. Man muss eben die Feste feiern wie sie fallen.