WM-Fieberkurve : Rasenrevolution
Mir ist richtig warm ums Herz geworden, als ich vor ein paar Tagen aus dem Fenster sah. Da tanzten die ersten dicken, weißen Flocken und verkündeten: Es ist Winter. So leise rieselte der Schnee, dass ich für einen Moment fast das große Ziel vergessen hätte. Das Ziel, das die Nation in Atem hält. Das Ziel, auf das wir hinarbeiten. Alle. Jeder von uns. Tag und Nacht.
Ich war ganz schnell wieder klar im Kopf, dachte zweimal um die Ecke, dann kam das Entsetzen: Na klar, der Rasen! Wenn jetzt der Schnee … und dazu die Kälte …, ist der überhaupt winterfest? Der ist doch die Basis. Den brauchen wir. Um es dem alten Stalin endlich zu zeigen. „In Deutschland wird es keine Revolution geben, weil man dazu den Rasen betreten müsste“, hatte der ja gemeint.
Jetzt sind wir so weit. Wenn in ein paar Monaten elf Helden als Delegation eines ganzen Volkes ihre Stollen in die Grasnarbe bohren, wird eine Revolution losbrechen. Nichts, was dann nicht besser wird. Diese verdammten Schneeflocken! Gut, der Rasen liegt seit dem Frühjahr an einem geheimen Ort, irgendwo in Deutschland. Aber das ist denen doch egal! Hoffentlich ist dieser Lehmacher vom Rasenkompetenzteam einer, der mitdenkt. Die Mischung hat er ja ganz gut hingekriegt: 75 Prozent Wiesenrispe und 25 Prozent Weidelgras hört sich vernünftig an. Von Charakterrasen ist die Rede. Aber Lehmacher, sieh zu, dass du das Baby auch über den Winter bringst!
Neulich hatte ich schon mal so ein komisches Gefühl. Als die Eröffnungsfeier im Olympiastadion einen Tag nach vorne verlegt wurde und das erste Spiel dort einen nach hinten. Von der Fifa. Wegen des Rasens. Der muss nach dem Spektakel nämlich ausgetauscht werden. Und die großen Bosse hatten Muffensausen bekommen, dass die eingeplanten vier Tage nicht reichen könnten. Jetzt sind’s sechs. Wenn das mal gut geht. So ein bisschen Schnee kann einen nervös machen. Hoffentlich macht der Winter schnell wieder den Weg frei – für die Revolution, die auf dem Rasen beginnt. CHRISTO FÖRSTER