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WIR LASSEN LESENÜber die Tribüne gejagt

■ Der „Fan Treff“ pflegt die Kampfberichterstattung

Schon der Umschlag zeigt, wo es langgeht. Vor der WM wurde für das „Italy-T-Shirt“ geworben: Eine teutonische Bulldogge marschiert Zähnefletschend in Italien ein. Die angedeutete Landkarte zeigte Deutschland in Grenzen bis Turin, Mailand und Venedig.

Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift Fan Treff verspricht packende Kampfreportagen aus allen Stadien. „Unglaublich viele Raketen“, „OFC-Kutten angegriffen“, „Massig Alk vernichtet“ lauten die reißerischen Überschriften. In der Zeitung der rechtsradikalen Fußballfans sind Autoren, Leser und Objekte der Artikel identisch: die Hooligans. Sie wollen keinen Fußball sehen, wie Mike, Markus und Karsten in ihrem Bericht: „Drei Essener auf Schalke“ bestätigen: „Da wir kein' Bock verspürten, uns das Spiel anzuglotzen, gingen wir zur Nordkurve.“ Wichtig ist die Suche nach gegnerischen „Hools“ und „Kutten“ aus anderen Fanblocks.

Die Wartezeit wird zum Saufen, dem Grölen deutsch-nationaler Lieder und auch dem Anrempeln Unbeteiligter genutzt. Dann aber geht's zur Sache. „Nachdem wir am Bierstand noch gute Kollegen trafen“, schildern die Essener ihren Sonntagsausflug nach Gelsenkirchen weiter, „peilten wir die Lage und entdeckten die Schalker. Sie wurden prompt mit ,Ausländer raus‘-Rufen begrüßt. Diese quittierten die Schalker mit dem Wurf eines Knüppels und einer Kombizange, worauf unsererseits ,Berliner Würstchen‘ rüberdüsten, was den Abschuß einer Leuchtrakete zur Folge hatte.“

Auf das Vorgeplänkel folgt der Nahkampf. „Am Ausgang kam es zu einer geilen Boxerei. Etwa 15 Mann aus beiden Lagern bearbeiteten sich mit Fäusten, Füßen und Regenschirmen.“ Schuß- und Stichwaffen gelten bei der Mehrheit der Hooligans als unsportlich. Daraus wird in den Fan Treff-Artikeln auch kein Hehl gemacht. „Überhaupt nicht geil war, daß ein Schalke- Hool auf einen zur Boxerei bereitstehenden Berliner mit einer Leuchtkugel schoß.“

Besonders schön finden es die Hooligans, wenn sie ihr Mütchen an ausländischen Fußballfans kühlen können. „Die Partie selbst war das allerletzte“, erinnert sich ein Kölner an ein Europacupmatch, „sie wurde erst interessant, als die Belgier mit einem wahren Feuerwerk eingedeckt wurden.“ Nach dem Schlußpfiff ging „draußen die Post ab. Die Belgier schmissen mit Steinen und zerstörten deutsche Autos. Wir gingen sofort drauf und lieferten eine astreine Boxerei.“

Das abschließende Urteil bestätigt den Kölnern, „eine sehr gute deutsche Visitenkarte in Belgien abgegeben zu haben“. Verrückt, aber ehrlich. Reimar Paul

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