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WIR LASSEN LESENDoppelpaß und Eigentor

■ „Sportkritik“, neue Zeitschrift gegen das Unentschieden

Thomas Ebermann schreibt über die Sache, von der er am meisten versteht: Pferde; Karikaturist Burkhard Fritsche löst auf elegante Art jenes Problem, an dem sich Michel Platini mit seiner „Task Force 2000“ vergeblich die Zähne ausbiß: den Toremangel im Fußball (einfach die Keeper verkleinern); Mit-Herausgeber Martin Krauß lästert über den Karriereknick des rodelnden Feldwebels Hackl- Schorsch in ebenjener Bundeswehr, für die er in Fernsehspots so abschreckend wirbt; Pit Wuhrer stellt eine Zeitung vor, die so wesentliche Fragen erörtert wie die, warum wohl seit den 30er Jahren keine Mannschaft mit gestreiften Trikots die englische Fußballmeisterschaft gewonnen hat, die die Frisuren großer Spieler einer unbarmherzigen Rezension unterzieht und eine Serie über „Große Eigentore unserer Zeit“ veröffentlicht: das britische Fanzine When Saturday Comes.

Sportkritik, „die Zeitschrift gegen das Unentschieden“, wie sie sich selber nennt, will mehr als nur an der Oberfläche des Sports kratzen. Alle zwei Monate soll Kritisches, Bemerkenswertes und Faszinierendes aus dem Sport geboten werden — Themen, die für Kicker und Sport Bild zu hoch, für Sports zu wenig trendy und glitzerig sind. „Was sind wir nicht“, fragen die Herausgeber und geben selbst die Antwort: „Wir sind keine Fanzeitung, kein Soziologenfachblatt, kein Zentralorgan, kein Ergebnisdienst, keine trainingswissenschaftliche Fachzeitschrift und keine Sportlerkritik-Zeitung, die Schulnoten verteilt.“ So weit die Negativ-Abgrenzung. Was die Sportkritik tatsächlich ist, inwieweit der Spagat, kritisch, hintergründig, trotzdem aber spannend und witzig zu sein, gelingt, muß die Praxis erweisen.

Nach zwei Nullnummern ist im September die definitive Nummer1 erschienen, wie schon bei der letzten Nullnummer mit kühner und radikaler Optik. Jede Ausgabe ist durchgängig mit Fotos über ein bestimmtes Thema illustriert. Nach den Boxern bestimmen diesmal die Berliner Schachmeisterschaften das Bild. Die einzelnen Rubriken tragen vorwiegend Namen aus der Fußballersprache wie „Eigentor“, „Rückpaß“, „Querpaß“, „Einwurf“ oder „Doppelpaß“, doch der Fußball ist beileibe nicht dominierend.

Es gibt eine bunte Palette verschiedener Themen: Innovationen, die sich bei Olympia im Schwimmsport gezeigt haben, Sport in Israel, die Kultur der Berliner Olympiabewerbung, Gespräch (Doppelpaß) mit einem deutschen Fußballtrainer in Namibia, deutsche Fußball- Fanzines und jede Menge Buchrezensionen. Glanzstück ist eine fiktive Diskussion der ARD-Sportchefs über ein attraktives Konzept für die Bundesliga-freie „Sportschau“. Hartmann (BR): „Warum nicht die Bayernliga... die könnten wir der ,Sportschau‘ als Zweitverwerter zur Verfügung stellen“. — Boßdorf (ORB): „Vielleicht die Friedensfahrt.“ (schallendes Gelächter) — Faßbender (WDR): „Bitte nur seriöse Vorschläge.“ — Scheu (SWF) eifrig: „Die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt!“ — Faßbender: „Sehr gut, Hans-Reinhard, sehr gut.“

Ein wenig leidet die erste reguläre Ausgabe noch unter mangelnder Aktualität, was bei zweimonatiger Erscheinungsweise natürlich nicht immer vermeidbar sein wird. Aber ein Artikel über den Europameisterschaftsgewinn der dänischen Fußballer kommt, auch wenn er noch so schön geschrieben ist, im September schlicht zu spät. Ähnlich sieht es mit dem Streit um die Fernsehrechte aus, der zu Beginn der Bundesligasaison im August allenthalben bis zur Hirnerweichung wiedergekäut wurde.

„So umstritten wie die Abseitsregel“, verheißt die Eigenwerbung der Sportkritik, und es ist zu hoffen, daß die neue Blüte im sonst eher trostlosen Sumpf der Sportpublizistik nicht zum Eigentor, sondern zum gelungenen Doppelpaß gerät. Matti

„Sportkritik — Die Zeitschrift gegen das Unentschieden“. Einzelpreis 5DM; Jahresabo: 30DM; Bestelladresse: Sportkritik-Verlag, Arndtstr. 30, W-1000 Berlin 61.

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