WIE SIND WIR DENN DRAUF? : Wildes Zappeln im Schatten des Urheberrechts
Con los terroristas …
Wissen Sie, was jetzt kommt? Ja? Dann sparen Sie sich die folgenden Absätze. Die anderen lesen weiter – wenn sie wissen wollen, was es mit dem „Harlem Shake“ auf sich hat.
Da ruft also eine Frauenstimme „Con los terroristas“ (spanisch für „Mit den Terroristen“, was komplett irrelevant ist), dann wabert ein Synthesizer-Pattern los, irgendwann ruft eine Männerstimme „Then do the Harlem Shake“, eine dumpfe Bassdrum setzt ein, dann stampft es halt so weiter. Ein collagiertes Musikstückchen, das der US-DJ Baauer im Mai 2012 zum freien, später kostenpflichtigen Download ins Netz stellte.
Würde keiner kennen, gäbe es nicht diesen Netz-Hype: Im vergangenen Februar lud jemand ein Filmchen auf YouTube, das mit der ersten halben Minute von „Harlem Shake“ unterlegt ist. Und plötzlich drehten alle solche Filmchen, tausendfach, immer nach demselben Muster: Erst sitzen oder stehen Menschen unbeteiligt herum, nur einer ist maskiert und tanzt. In der Mitte gibt es einen Cut, plötzlich sind alle kostümiert und zappeln herum. Die Zeit schrieb, leicht überinterpretierend, von einem „irren Veitstanz“, einer „kollektiven Katharsis, die den Gefühlshaushalt auf null setzt“.
Kramen in der Kiste
Nun zu mir. Auf die Idee, einen eigenen Harlem Shake zu drehen, waren natürlich die Kinder gekommen. Sie hatten in der Schule Smartphone-Apps gesehen, die nur zu diesem Zweck geschaffen wurden. Also luden wir eine herunter und kramten in der Verkleidungskiste, in der sich neben einer Scream-Maske eine Afroperücke und eine Zombiebrille fanden. Eine orange Verkehrsanfängerpudelmütze komplettierte das Outfit.
Der Clip war schnell gedreht. Es gab ja keinen Tanzschritt zu lernen (auch wenn der authentische „Harlem Shake“ aus den Achtzigern stammen und sich durch Kopulationsbewegungen auszeichnen soll). Die Applikation unterlegte unser Gehampel mit dem Baauer-Beat. Sekunden später hing das Werk an meiner Facebook-Pinnwand.
Am Abend bekam ich Post von Facebook. Man habe mein Video gelöscht, zur Sicherheit, weil es „möglicherweise“ auf einer Urheberrechtsverletzung basiere. So etwas solle ich künftig lieber vermeiden.
Das musste recherchiert werden. YouTube ist doch voll von dem Zeug! Bald wusste ich Bescheid, dank der sehr informativen Seite irights.info: Im Prinzip darf man nichts uploaden, woran man keine Rechte besitzt. Nicht mal das eigene Katzenvideo, bei dem im Hintergrund Coldplay läuft. Verfolgt wird das eher selten, gelöscht schon. Es sei denn, es gibt ein Agreement zwischen dem Uploaddienst, der die Klicks schaufelt, und dem Rechteinhaber, der dafür eine saftige Beteiligung einstreicht. Bei YouTube und Baauer könnte das der Fall sein. Bei Facebook nicht.
Die Pointe ist übrigens diese: DJ Baauer hat seinen Track selbst aus Schnipseln Dritter zusammengeklaut. Als die sich empört zu Wort meldeten, hatte er wohl schon genug verdient, um sie ruhigstellen zu können. Verrückt, die Welt der digitalen Rechte.
Then do the Harlem Shake.
CLAUDIUS PRÖSSER Foto: taz