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Archiv-Artikel

WENN ULLA SCHMIDT NICHT HANDELT, BEZAHLEN KRANKE DIE REFORM Chronisch Gesunde

Das ist doch mal eine wirklich gute Nachricht über die Gesundheitsreform: Zum kommenden Jahr gibt es keine chronisch Kranken mehr. Dauererkrankungen sind abgeschafft! Das hat der „Bundesausschuss Ärzte Krankenkassen“ – das hochmögende Gremium, das festlegt, was die Krankenkassen zahlen – glänzend hingekriegt. Der Trick: Die Definition von „chronischer Krankheit“ wird so geändert, dass den meisten Menschen, die bislang glaubten, ernst- und dauerhaft krank zu sein, dieses Leiden einfach wegdefiniert wird.

Die Betroffenen werden sich darüber jedoch schwerlich freuen. Denn ihr neuer Gesundheitszustand hat finanzielle Folgen – wenn Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Richtlinie des Ausschusses nicht noch ganz kräftig entschärft. Wer bislang als chronisch krank galt, war von Zuzahlungen für Medikamente und Behandlungen befreit. Gegenwärtig hat die Hälfte der Versicherten einen Befreiungszettel, weil nie kontrolliert wurde, ob nicht auch mal wieder jemand genesen ist. Mit der Gesundheitsreform muss nun jeder fünf bis zehn Euro zu jeder medizinischen Leistung zuzahlen – bis zu 2 Prozent des Bruttoeinkommens. Chroniker müssen nur 1 Prozent veranschlagen.

Doch mit der neuen Definition von chronischer Krankheit wäre praktisch kaum jemand mehr chronisch krank. Denn dafür wäre nachzuweisen, dass man in diesem Jahr zweimal im Quartal wegen einer bestimmten Krankheit beim Arzt gewesen ist. Dazu muss man entweder deshalb im Krankenhaus gewesen sein oder schwer pflegebedürftig oder zu 70 Prozent behindert. Millionen Kranke würden bald feststellen, dass sie mit 2 Prozent und nicht 1 Prozent vom Jahresbrutto für ihren hohen Medikamenten- und Behandlungsbedarf dabei sind – auch Kleinrentner, auch Sozialhilfeempfänger. Ulla Schmidt muss die Definition komplett umkrempeln lassen. Das dauert jetzt natürlich wieder und wird alle Dauerpatienten noch weiter verunsichern als ohnehin schon. Sonst aber wird sich der Vorwurf, dass Kranke für die Gesundheitsreform bezahlen müssen, nächstes Jahr tausendfach bestätigen. ULRIKE WINKELMANN