WEHRPFLICHT: DIE ALTEN ARGUMENTE FÜHREN IN DIE NEUEN KRIEGE : Zeit für eine grüne Umkehr
Die rot-grüne Kriegsplanung regt kaum mehr jemanden auf – allein das ist schon zum Aufregen. Nein, hier ist nicht die Rede von der Bagatelldikussion um ein deutsches Lazarettflugzeug für den Irak. Die Weichenstellung für die Kriege der Zukunft erfolgt fast ohne öffentlichen Widerspruch. Begleitet von Joschka Fischers Kopfnicken soll die deutsche Armee künftig weltweit militärisch zuschlagen können. Den letzten Schritt dorthin nötigen ausgerechnet die Grünen einem an diesem Punkt eher zögerlichen Koalitionspartner SPD auf: die Abschaffung der Wehrpflicht.
Verrat ihrer Ideale zumindest kann man der Partei diesmal nicht vorwerfen: Die Forderung nach der Abschaffung aller „Militär- und Zwangsdienste“ ist so alt wie das grüne Programm selbst. Trotzdem würde eine Abschaffung der Wehrpflicht heute das Gegenteil dessen bewirken, was die Grünen einst damit erreichen wollten. Vor der Regierungsübernahme war das zentrale Motiv der Wunsch, Kriege unwahrscheinlicher, vielleicht sogar unführbar zu machen. Noch in den frühen 90er-Jahren verstanden weite Teile der Grünen unter einer Bundesrepublik ohne Wehrpflichtige eine Bundesrepublik ganz ohne Armee. Heute verfechten grüne Politiker von Katrin Göring-Eckardt bis Reinhard Bütikofer dieselbe Forderung mit dem entgegen gesetzten Ziel, die Streitkräfte schlagkräftiger zu machen. Im Gefolge einer zunehmend besinnungslosen Modernisierungsrhetorik verkaufen sie die Einführung der Berufsarmee als grünen Beitrag zu Kanzler Schröders Innovationsprojekt.
So führen die alten Argumente geradewegs in die neuen Kriege. Wer sich die Bundeswehr als Global Player auf den Krisenherden zwischen Hindukusch und Kap Horn wünscht, dem erscheinen Wehrpflichtige wie eine Truppe von Tollpatschen. Im Sinne der Friedenserhaltung aber ist die militärische Schwäche der Bürgerarmee ihre Stärke: Von Motivation, Ausbildung und Ausstattung her sind die Wehrpflichtigen von heute zur Kriegsführung nur fähig, wenn es darauf ankommt: also im äußersten Notfall. Einem friedlichen Land steht das gut zu Gesicht. PATRIK SCHWARZ