WDR-Tatort im Ersten: Klassentreffen mit Currywurst
Arg geschraubt, die Reise der Tatort-Kommissare Ballauf und Schenk nach Essen. Aber die "Europäische Kulturhauptstadt 2010" muss ja beworben werden. (So, 20.15 Uhr, ARD)
Das Ruhrgebiet ist in den Krimis des WDR zuletzt doch ganz schön ins Abseits geraten. Schimanski aus Duisburg kommt ja nur noch alle Jubeljahre von seinem Hausboot herunter, und die Kollegen von den großen „Tatort“-Revieren in Köln und Münster machen eigentlich keine Abstecher in den einstigen Kohlenpott. Doch pünktlich zum Beginn des Jahres 2010, in dem Essen zur Europäischen Kulturhauptstadt ernannt worden ist, schauen jetzt immerhin die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) bei den Nachbarn im Norden vorbei.
Dramaturgisch wirkt die Standortpflege in dieser Köln-Episode allerdings arg gezwungen – ein klarer Fall von öffentlich-rechtlicher Fernsehdiplomatie, möchte man meinen. Oder wie ließe sich sonst eine derart unverbindliche Story rechtfertigen, bei deren Entwicklung es offensichtlich nur darum ging, irgendwie den Bogen von Köln in die neue Kulturhauptstadt zu kriegen: Ermittler Ballauf ging einst in Essen zur Schule und wird nun von einer damaligen Flamme und Klassenkameradin (Karoline Eichhorn) zum Klassentreffen in die alte Heimat eingeladen.
Und deren Ehemann (Oliver Stritzel) ist der Geschäftsführer der für die Umwandlung Essens zur Kulturhauptstadt verantwortliche „RUHR.2010 Stiftung“ – die ausgerechnet mit jenem Bauunternehmer verbandelt war, der kurz zuvor in Köln ermordet aus dem Rhein gezogen wurde. Bald ist auch der Kulturunternehmer tot, und ausgerechnet Ballauf gilt als einer der Hauptverdächtigen.
Kurzum: In „Klassentreffen“ (Buch: Jürgen Werner) wurde das Prinzip Zufall ein wenig überstrapaziert. Was nicht weiter schlimm wäre, wenn man wenigstens etwas über die Ruhrstadt im Strukturwandel erfahren würde. Aber in Sachen Setting ist dem „Tatort“-Vieldreher und Eventfilmmanager Kasper Heidelbach („Der Untergang der Pamir“) auf die Schnelle nicht viel eingefallen.
Außer, dass die Ermittler die ziemlich lange Rolltreppe in einer zum Kulturzentrum umgebauten Zeche rauf und runter fahren, passiert eigentlich nur sehr wenig – was in direkter Verbindung mit den kulturellen und architektonischen Eigenheiten von Essen steht.
Und oben, am Ende dieser schier endlosen Rolltreppe, wartet dann auch nur ein Imbiss, in dem Currywüste verkauft werden. Da hätten Ballauf und Schenk ja gleich in Köln bleiben können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!