WDR-Rundfunkrat stimmt Personalie zu: Gremlins kuscheln mit Jauch
Der WDR-Rundfunkrat macht den Weg für die Heimkehr der seriösen Hälfte von Günther Jauch frei. Die andere macht solange bei RTL weiter Unterhaltungskram.
"Wenn der bekannteste deutsche Journalist am Sonntagabend eine Talkshow im Ersten moderiert, dann ist das eine Stärkung des Informationsprofils der ARD", sagt Ruth Hieronymi (CDU), die Sprecherin des WDR-Rundfunkrats. Und wir reiben uns verdutzt die Augen: Eben noch Günter Wallraff in Hamburg beim Netzwerk Recherche getroffen und der sagt gar nichts?
Kunststück, ist ja auch der Günther mit "h" gemeint: Der verlorene Sohn darf also nach Hause kommen. Am Dienstagabend stimmte der WDR-Rundfunkrat dem Engagement der besseren Hälfte von Günther Jauch für den Polittalk im Ersten zu. Die andere macht solange bei RTL weiter "Wer wird Millionär" und anderen Unterhaltungskram. Die ARD hat endlich wieder einen "Top-Journalisten" (WDR-Rundfunkratschefin Ruth Hieronymi) - und das war angeblich sogar billiger als bei der ersten verkorksten Jauch-Anmache 2006.
Die Kosten für den Polittalk am Sonntagabend nach dem "Tatort" liegen ab 2011 natürlich deutlich höher als bei der für Jauch abservierten Anne Will, laut ARD-Hierarchen aber nur knapp über dem, was weiland schon Sabine Christiansen für die Sendung bekam. Bild schreibt von knapp 4.500 Euro pro Sendeminute und zitiert ein Schreiben des WDR-Verwaltungsrats, wonach eine Staffel mit 39 Sendungen inklusive Produktion durch Jauchs Firma Information & Unterhaltung (I&U) mit 10,5 Millionen Euro zu Buche schlägt. "Anne Will" kostet knapp zwei Drittel davon. Offiziell bestätigen will diese Zahlen in der ARD niemand, aber sie dürften stimmen.
"Ohne Jauch gehts auch", hatte es nach der gescheiterten ersten Jauch-Heimholung - sein konservatives Grundfundament hatte ihm einst der Bayerische Rundfunk gegossen - in der ARD noch geheißen. Jetzt war die Sache besser abgestimmt und lief glatt. 2006 war Jauch am hinhaltenden Widerstand der Aufsichtsgremien gescheitert und hatte anschließend in schönster Leberwurstbeleidigtheit mit den "Gremlins" abgerechnet: Die hätten schließlich "monatelang jede Woche der Verführung" nachgegeben, "mit meinem Namen auch mal den eigenen in der Zeitung zu lesen" und sich als "drittklassige Bedenkenträger" geriert. Dieses Mal hatte der NDR-Rundfunkrat schon im Juni grünes Licht gegeben, und auch beim WDR waren die Bedenkenträger aller Klassen schnell eingesammelt: Die Senderspitze wies prophylaktisch schon mal darauf hin, dass sich die Gremien mit einer erneuten Blockade nach den Jubelarien auf Jauch lächerlich machen würden. Intendantin Monika Piel ertrug 40 Punkte umfassende Fragenkataloge und ein halbes Dutzend Sitzungen mit GremienvertreterInnen. Die Belohnung: Mit "deutlicher Mehrheit", so Rundfunkratschefin Hieronymi, stimmte das Gremium für Jauch. Denn der gibt nicht nur "Stern TV" ab, sondern wird mit Beginn seines ARD-Engagements auch auf Werbeauftritte verzichten. Außerdem besteht die kühne Hoffnung, der dann 55-Jährige werde auch junge Menschen wieder zum Einschalten animieren. Allerdings durften bei längst nicht allen ARD-Anstalten die Gremien mitreden. "Wir werden wieder vor vollendete Tatsachen gestellt", kritisierte beispielsweise der MDR-Rundfunkrat und Linke-Politiker Heiko Hilker. Grund hierfür sind unterschiedliche Rechtsgrundlagen bei den einzelnen ARD-Anstalten, was Kompetenzen und Zustimmungspflichten der Gremien angeht. Natürlich wollte man eigentlich auch bei der ARD gerne den ganzen Jauch haben. Doch für die Komplettübernahme fehlt schlicht das nötige Großgeld, schließlich schwört sich die ARD gerade auf einen Sparkurs ein, der sich gewaschen hat (taz vom 6. Juli) Jetzt wird laut NDR-Rundfunkratvorsitzender Dagmar Gräfin Kerssenbrock umgeschichtet: Jauch kostet den Gebührenzahler nichts extra - wenn man mal von dem absieht, was zur Finanzierung des Neuzugangs an anderer Stelle gestrichen wird. Während die ARD also noch ganz mit sich selbst beschäftigt ist, läuft sich drüben bei RTL nach Presseberichten schon mal jemand für die Jauch-Nachfolge bei "Stern TV" warm: Sollte Markus Lanz tatsächlich seine diversen ZDF-Jobs an den Nagel hängt, wäre das gleich die nächste TV-Heimkehr. Von Lanz stammt der schöne, aber spätestens von dieser Nachricht widerlegte Spruch "Ich moderiere nicht alles, was um die Ecke kommt" - er stand übrigens im Stern.
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