WÄHLEN : Fast ein Pirat
Es war Sonntagnachmittag und wie immer eigentlich schon zu spät. Ich hatte den Tag bis dahin vertrödelt, noch nicht gewählt und auch vergessen, Mittag zu essen. G. stand mit seinem Auto schon vor der Tür. Er sagte, er hätte erst die Piraten wählen wollen. Dann sei er sich aber nicht sicher gewesen, ob sich dahinter nicht eventuell vielleicht böse Menschen verbergen würden. Also hätte er dann doch wieder die Grünen gewählt.
Beflügelt von dem Entschluss, dies diesmal nicht zu tun, betrat ich das Wahllokal, ein schönes Schulgebäude aus den 60ern. Hinter den Wahlhelfern hingen, nicht ganz parallelsymmetrisch, die Berliner, die deutsche und die europäische Fahne. Eigentlich hatte ich auch die Piraten wählen wollen. Weil ich mich zuvor nicht richtig informiert hatte und kein einziger schwedischer Name auf dem Wahlzettel stand, wählte ich die SPD.
Meine Wahl erfüllte mich Stolz. Früher war Wählen und Grüne-Wählen nämlich immer eins gewesen. In den Wochen zuvor hatte sich aber schon angedeutet, dass dieser Automatismus heute zu Ende gehen würde. Die after-eight-farbigen Plakate, Frau Stokar, Herr Steinmeier und Herr Bütikhofer hatten eine Rolle dabei gespielt. Später, nachdem ich mich informiert hatte, bedauerte ich aber doch ein bisschen, nicht die Piraten gewählt zu haben. In Schweden hatten sie 7 Prozent bekommen. Im Fernsehen bei Anne Will dann war Herr Steinmeier recht sympathisch. Die lustigen Zwischenfilmchen mit lustigen Stimmen und Steinmeier als lustigem Superheld deuteten darauf hin, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Zuschauer für komplett bescheuert halten. Ich war entsetzt und schockiert.
Vor dem Schlafengehen guckte ich im Internet eine schöne neue Southpark-Episode, die davon handelt, wie Cartman und seine Freunde nach Somalia fahren, um ein freies Leben als Piraten zu führen. DETLEF KUHLBRODT