WAS MACHT EIGENTLICH ...Johannes Rau? : Reden, reden, reden
„Sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt“, heißt es in Matthäus 10,19, und ein frommer Mann sollte göttlichem Rat vertrauen. Aber Johannes Rau geht auf Nummer Sicher: Das Bundespräsidialamt verbreitete schon vorab den Text der Rede „Vertrauen in Deutschland“, einer 16-seitigen „Ermutigung“, die der erste Mann im Staate gestern in Schloss Bellevue verlas. Es handelte sich dabei um eine „Berliner Rede“. Und da hat Rau offenkundig etwas falsch verstanden.
Mit der zum Ereignis hochgejazzten „Ruck-Rede“ läutete Roman Herzog 1997 die Ära der „Berliner Reden“ ein. Ausgedacht hatte sich das die „Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadtmarketing mbH“, und dass der Bundespräsident anfangen durfte, war eine höfliche Geste. Das im Hotel Adlon angesiedelte Event sollte sich mit wechselndem Personal wiederholen. So geschah es zunächst auch: 1998 sprach der finnische Präsident, 1999 Kofi Annan. Dann der Bruch: Es sprach Johannes Rau. Dann Rau. Und wieder Rau. Und wieder. Und noch einmal: wie gesagt, über Vertrauen. Sie haben sicherlich davon gehört.
Die fünfte Rau-Rede war auch eine der Abschiede: Der Präsident geht in Rente, Schloss Bellevue verabschiedet sich in die ebenso verdiente Sanierungspause. Hartgesottene Fans werden aber möglicherweise nicht auf ihren Lieblingsredner verzichten müssen: „Das ist die letzte ‚Berliner Rede‘ “, hob Rau an, „die ich als Bundespräsident halte.“ Wohlgemerkt: „als Bundespräsident“. CLP FOTO: AP