WAS MACHT EIGENTLICH ... die Dornenkrone? : In U-Bahnhöfen hängen
„Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eloi, Eloi, lema sabachtani?“ Das heißt „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ So oder so ähnlich, je nach Quelle, heißt es in der Passionsgeschichte des Evangelisten Markus – und jetzt auch in der U-Bahn. „Lema Sabachtani“ ist der Titel eines Holzschnittzyklus des Künstlers Bernd Zimmer, der auf den Bahnhöfen der Linie 6 zwischen Koch- und Friedrichstraße zu sehen ist. Ach was, Zyklus: Es handelt sich natürlich um einen Kreuzweg, die jedem Katholiken wohl vertraute Nachempfindung der Via Dolorosa in 14 Stationen, von der Verurteilung Jesu bis zu seiner Grablegung.
Bei Zimmer ist der Leidensweg stark abstrahiert und auf wenige Elemente wie das T-förmige Kreuz oder die Dornenkrone reduziert. Eingefasst sind die auf Buchbinderleinen gedruckten Motive in Reklameleuchttafeln auf den Bahnsteigen. Noch sind die meisten mit durchscheinenden Stoffbahnen verhängt, bis Karfreitag werden sie sukzessive enthüllt.
Was das Ganze soll? Der Künstler sagt, seine Arbeit richte sich „an Menschen, die jeden Tag ihr Kreuz auf sich nehmen“. Deshalb wa-ge er sich in eine „triviale Sphäre“ vor. Wohl wahr: Auf der Rückseite manchen Motivs prangt knallrot eine Media-Markt-Reklame. Und genau das lässt auch den Religionskritiker ein Auge zudrücken ob dieser ikonografischen Vereinnahmung des öffentlichen Raums: Besser als das Pocher-Männchen ist das Schweißtuch der Veronika allemal. CLP FOTO: CLP
Der gesamte Kreuzweg ist bis 30. April in der Nikolaikirche zu sehen (Eintritt frei). Im Netz: www.stadtmuseum.de