WAS MACHT EIGENTLICH ... der Schwan? : Den Tod suchen
Man hat es dieser Tage nicht leicht als Schwan. Kein Mensch erfreut sich an der Grazie biegsamer Hälse. Niemand staunt über den majestätischen Flug des weißen Vogels. Kinder, gewöhnlich eifrige Fütterer, wenden sich angstvoll ab und meiden den Ufersaum. Schuld ist ein Virus, das auch Hühner und Enten dahinrafft, sich hierzulande aber am liebsten in Schwanenkörpern einnistet – warum auch immer.
Seit der Nationalpark Unteres Odertal sogar seine legendären „Singschwantage“ aus Furcht vor den Grippeerregern absagte, seit eine Zeitung den Vogel, den dereinst Zeus sich zur Verkleidung wählte, als „neue Ratte der Lüfte“ bezeichnete, grassiert unter Schwänen die nackte Angst: Werden wir je wieder geliebt, gemalt, besungen? Wird man uns auf ewig meiden? Fürchten? Hassen?
Vielleicht ist es diese tiefe Depression, die Berlins Schwäne derzeit vermehrt zu suizidalem Verhalten antreibt. Erst kürzlich warfen sich zwei lebensmüde Tiere vor einen Zug, gestern früh wurde der nächste Fall registriert: Ein Schwan „verirrte sich“ – so die Sprecher von S-Bahn, Polizei und Feuerwehr – in den S-Bahnhof Bellevue, wo er „ängstlich auf den Gleisen hockte“. Wenig später wurde das inzwischen tote Tier – über die genauen Umstände seines Ablebens schwiegen die Sprecher – von Personal in Schutzkleidung abtransportiert. Der Schienenverkehr war zeitweilig unterbrochen.
Liebe Vogelfreunde: Seid gut zu Schwänen. Zeiht sie nicht einer Bedrohung, an der sie keine Schuld tragen. Geht mal wieder füttern. Sie können doch nichts dafür. CLP FOTO: REUTERS