WAS MACHEN EIGENTLICH ... die vietnamesischen Demonstranten? : Protestieren wie 1968
Ein Hauch von 1968 weht am Samstag durch das bitterkalte Berlin. Die Jannowitzbrücke ist in ein Meer von vietnamesischen Fahnen verwandelt. „Hände weg von Vietnam“, „Die Expansionspolitik ist eine Bedrohung des Weltfriedens“, „Stoppt das Töten unserer Fischer“ steht auf den Transparenten dazwischen. Doch die gut 200 Demonstranten sind keine in die Jahre gekommenen deutschen Linken, sondern Vietnamesen. Und sie protestieren nicht gegen die USA, sondern gegen China vor dessen Botschaft.
Anlass: China hatte Anfang Dezember zwei weitgehend unbewohnte, aber ölreiche Inselgruppen im Südchinesischen Meer unter seine Verwaltung gestellt. Bisher war der Status der Paracel- und Stratly-Inseln ungeklärt. Seit Dezember schwappen nun weltweit die nationalen Wogen hoch. Jeden Sonntag demonstrieren Schüler und Studenten in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt – sowie zahlreichen europäischen und amerikanischen Städten – gegen China. Das erstaunt: Kaum ein Berliner Vietnamese geht auf die Straße, wenn gegen Bildungs- oder Sozialabbau protestiert wird. Auch innerhalb der multikulturellen Vereine engagieren sich nur wenige Vietnamesen. Doch wenn es um die kaum bewohnten Eilande geht, ist das anders. Das Thema berührt die patriotischen Gefühle. In den Asia-Großmärkten sind die Inseln das wichtigste Gesprächsthema.
„Die Inseln gehören seit Jahrtausenden zu Vietnam“, begründet Thao Vu, die Initiatorin der Demo, ihr Engagement. Die Studentin gibt damit die vietnamesische Staatspropaganda wieder, die völkerrechtlich umstritten ist. „Unsere Vorfahren haben dafür gekämpft. Deshalb können wir die Inseln nicht kampflos an China abtreten.“ Und der Mann am Mikrofon, ebenfalls ein Student, erklärt, dass man die Inseln auch militärisch verteidigen müsse. Die Demonstranten klatschen begeistert. Dann dirigiert er die vietnamesische Hymne. Die jungen Demonstranten singen und recken die Faust. „Diese Lieder haben wir in der Schule jeden Tag gesungen“, sagt eine Studentin. Und dann ruft sie mit den anderen: „China, hands off Vietnam.“ MARINA MAI FOTO: ARCHIV