WARUM DIE US-STRATEGIE SOMALIA KEINE STABILITÄT BRINGEN KONNTE : Wieder herrscht Chaos in Mogadischu
In der somalischen Hauptstadt Mogadischu herrschen apokalyptische Zustände. Hunderte wurden in den letzten Tagen getötet, Hunderttausende sind auf der Flucht. Kämpfe und Anschläge verhindern die Versorgung von Notleidenden. Seuchen breiten sich aus. All das ist schrecklich – aber eine Überraschung ist es nicht. Fachleute hatten davor gewarnt, dass der von den USA wohlwollend begleitete Einmarsch äthiopischer Truppen in Somalia und die US-Unterstützung für die machtlose, nicht legitimierte Übergangsregierung genau diese Entwicklung nach sich ziehen werden. Sie haben recht behalten. Stört das in Washington jemanden?
Offenbar nicht. Oder jedenfalls nicht genug. Die USA haben vor allem ein Interesse: Sie wollen verhindern, dass Somalia zu einem sicheren Rückzugsgebiet für Terroristen wird. Die Furcht davor ist verständlich, denn der lange Bürgerkrieg hat landesweit den Einfluss islamischer Fundamentalisten gestärkt. Sie werden von Teilen der Bevölkerung als die einzige Kraft gesehen, die Ruhe und Ordnung in dem zerstörten Land wiederherstellen kann. Als die Islamisten im Juni 2006 die Macht in Mogadischu übernahmen, war absehbar, dass Washington dem nicht tatenlos zusehen würde.
Man muss aber schon erschütternd wenig von der Region verstehen, um zu glauben, dass sich in Somalia politische Stabilität ausgerechnet mit Truppen des alten Erzfeindes Äthiopien erzwingen lässt. Verhandlungen mit den Islamisten, um eine Teilung der Macht mit der Übergangsregierung zu erreichen, wären hingegen zwar mühsam und langwierig gewesen. Aber nicht chancenlos. Vielleicht wäre es so gelungen, die Fundamentalisten in eine stabile Regierung einzubinden.
Zu spät. Gewiss, kurzfristig mag die Rechnung aufgegangen sein: Die Islamisten sind von der Macht vertrieben worden. Mittel-und langfristig aber sind die Probleme heute größer denn je. Eine Regierung, die ihre Macht auf äthiopische Bajonette stützt, wird von der Bevölkerung niemals akzeptiert werden. Und die Zahl der Somalis, die Terrorismus für ein legitimes Mittel gegen Aggressoren halten, dürfte täglich steigen. BETTINA GAUS