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Archiv-Artikel

WALDSTERBEN: DIE BILLIGE FREUDE AM AUSBLEIBEN DER KATASTROPHE Mein Freund, der Baum

Endlich Ende des Alarms im deutschen Forst: Der Wald hat sich leicht erholt, sagt das Agrarministerium. Doch wirklich interessiert hat diese Nachricht niemanden. Buche und Eiche kränkeln ein wenig, na und? Daran haben wir uns gewöhnt.

Als Thema ist der sterbende Wald gestorben. „Le Waldsterben“ – das deutsche Angstwort der 80er-Jahre machte selbst in Frankreich Karriere – gilt längst als Ausdrucksform für Psychodramatiker. Manche Sozialgeschichtler haben die Sorgen um das Ökosystem als eine verspätete Hippie-Debatte interpretiert: Nach der Flower-Power von Woodstock hätten alle nur darauf gewartet, dass sich die Kraft der Blumen und die Endlichkeit der Ressourcen bewahrheitet. Und da habe es gut gepasst, dass Wissenschaftler den Tod der Bäume vorhersagten – selbst die Natur protestiere also gegen die Zivilisation und lasse als Menetekel den Wald krepieren.

Heute jedenfalls redet niemand mehr über den Baum – er ist ja immer noch da. Es ist, als schämten sich alle Beteiligten ihrer früheren aufgeregten Diskussionen. Dabei gibt es für die Waldesruh aus wissenschaftlicher Sicht überhaupt keinen Grund. Die Bäume sind nicht gesund. Und schließlich trat das Schlimmste nur nicht ein, weil es die apokalyptischen Szenarien gab. Oder wären sonst für einen Milliardenaufwand Rauchgasfilter in Großkraftwerke und Industrieanlagen eingebaut worden? Wohl kaum. Heute sind die schwefelhaltigen Abgase, die der Fichte so zu schaffen machten, fast weg. Diese Erfolge vergessen diejenigen, die sich über düstere Szenarien von gestern für den deutschen Wald von morgen lustig machen.

Und so ignorieren sie, dass Forstleute jetzt neue Killer ausmachen, das Ammoniak aus dem Stall oder die Abgase aus dem Lasterauspuff. Das ist nun vor allem Pech für Eiche und Buche, die diese Gifte besonders schlecht vertragen. Dabei lässt sich im Wald nicht nur hübsch spazieren gehen, sondern er ist auch ausgesprochen nützlich. Er filtert nicht nur Wasser und Luft, sondern steht auch gegen CO2-Emissionen und Klimaerwärmung. Man wünscht sich also neue, mutige Warner – Kraft der Blumen hin oder her. HANNA GERSMANN