WAHLBEOBACHTERIN (V): SUSAN MITTRENGA : Und dann kommt Guido
Die Spannung fehlt im Bundestagswahlkampf? Nicht mit taz bremen! Für uns beobachten politische Gegenspieler die Auftritte der Partei-Größen. Heute: Grünen-Landesvorstanssprecherin Susan Mittrenga lauscht Guido Westerwelle (FDP).
Auf dem Weg zum Marktplatz fallen die Polizeiwagen auf. Ein Teil des Platzes ist abgesperrt. Wer hat hier Angst vor wem? Kurz vor 17 Uhr ein Bob Dylan- und ein Johnny Cash-Song von einer Band, live, aber ziemlich schlecht. Ein amerikanischer Tourist meint, das gehe ja gar nicht: Groß steht da „Deutschland kann es besser“ – und dann amerikanische Musik.
Viele Mustergymnasiasten mit ordentlichem Haarschnitt, einige Frauen und Männer die etwas zu schick wirken. Pünktlich beginnen der Landesvorsitzende und der Spitzenkandidat uns einzustimmen auf die Mitte, die Mitte, die Mitte – wie hieß es noch? In der allerhöchsten Not bringt der Mittelweg den Tod. Und dann kommt Guido mit gewaltigem gelben Schal. Als er in die Rede einsteigen will, sieht er sich plötzlich einer Front von Plakaten gegenüber: So thematisiert ein „flashmob“ die Atom-Pläne der FDP – und bringt Westerwelle völlig aus dem Konzept.
Nach zwei, drei Minuten geht die wortlose Demo – und es wird erstaunlich leer auf dem Platz. Jetzt legt er los: mehr Netto vom Brutto, Leistung muss sich wieder lohnen, aber auch mehr in Bildung investieren, höhere Freibeträge, mehr für die Familien tun und überhaupt das Steuersystem! Der Mensch als homo oeconomicus, der ohne Geld doch nur im Bett liegen bleibt. Man möchte ihm Hannah Arendts „Vita activa“ in die Hände drücken.
Es kommt auch grün-kompatibles. Der Unsinn der Abwrackprämie, die Reduktion der Wirtschaftspolitik auf DAX-Unternehmen oder die Kritik am Überwachungsstaat. Der Regen nimmt zu und als nach 45 Minuten der Pressesprecher der SPD-Fraktion aufkreuzt, wundert er sich und fragt, wo denn nun Guido sei? Schon auf dem Weg zum nächsten Markt irgendwo in der Republik.
Susan Mittrenga ist Sprecherin des Landesvorstands der Grünen