Vorwurf der SPD-Treue: Linkspartei attackiert Gewerkschaften
Die Linken-Spitze kritisiert die "Nibelungentreue", mit der die Gewerkschaften zur SPD stünden. Damit tue sich die Linke keinen Gefallen, so ein Gewerkschaftsexperte.
Die Führung der Linkspartei legt sich erstmals offensiv mit den Gewerkschaften an. Die beiden Linken-Vorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine werfen führenden Gewerkschaftern vor, "in Nibelungentreue zur SPD" zu stehen. Und das, "trotz Agenda 2010, Rente mit 67 und Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen", wie es in einem Brief von Bisky und Lafontaine an IG-Metall-Chef Bethold Huber heißt. Die Frankfurter Rundschau hatte über den Inhalt des Schreibens berichtet.
Vergangene Woche hatte Huber die Linke aufgefordert, "jede offene oder klammheimliche Vereinnahmung" der IG-Metall zu unterlassen. In ihrer Antwort zeigt sich die Linken-Spitze nun "einigermaßen überrascht" über die Vorwürfe und holt zum Gegenangriff aus: Bei einfachen Arbeitnehmern sei inzwischen der Eindruck entstanden, die Sozialdemokraten an der Gewerkschaftsspitze stünden loyal zur SPD, "wenn diese Partei die größten Sozialkürzungen der Bundesrepublik mitzuverantworten hat".
Inzwischen bemühen sich führende Politiker der Linken, den Konflikt nicht weiter anzuheizen, bekräftigen aber zugleich ihre Kritik. "Das Verhältnis zur IG-Metall ist ausgezeichnet", sagte Klaus Ernst, stellvertretender Parteivorsitzender der Linken, der taz. Ernst betonte, dass Gewerkschaften unabhängig sein müssten. Bei einigen führenden sozialdemokratischen Gewerkschaftern wie etwa Hubertus Schmoldt, dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), sei das nicht immer der Fall. "Die Frage ist: Sind führende Gewerkschafter mit SPD-Parteibuch auch tatsächlich in erster Linie Gewerkschafter? Bei Schmoldt etwa bezweifle ich das." Zu den Vorwürfen, die Linke wolle die IG-Metall vereinnahmen, sagte Ernst, selbst Gewerkschafts-Sekretär der IG-Metall: "Wir unterwandern keine Gewerkschaft, viele von uns waren Gewerkschafter, da gab es die LINKE noch gar nicht."
Auch Bodo Ramelow, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, fordert die Gewerkschaften zur Überparteilichkeit auf. "Wenn man denn parteiunabhängig sein will, muss man mit den Parteien auch reden, also auch mit uns", sagte er der taz. Wenn Huber Vereinnahmungsversuche zurückweise, stelle sich die Frage, warum er sich mitten im hessischen Landtagswahlkampf demonstrativ mit SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti getroffen und Gesprächsangebote der Linkspartei ausgeschlagen habe. "Einige führende Funktionäre tragen eben das Gewerkschaftsbuch zusammen mit dem Parteibuch am Herzen", so Ramelow.
Für Gero Neugebauer, Gewerkschaftsexperte an der FU Berlin, steht fest, dass sich die Linken-Spitze mit ihren Angriffen keinen Gefallen tut. "Die Linke übersieht, dass sie die innergewerkschaftlichen Skeptiker einer Zusammenarbeit in die Arme der SPD treibt", sagte er der taz. Neugebauer betrachtet die derzeitige Auseinandersetzung als eine "Andeutung von Liebesentzug". Eigentlich wolle die Linkspartei der Interpret gewerkschaftlicher Forderungen im Bundestag sein. Von Vereinnahmung der Gewerkschaften durch die Linke könne daher keine Rede sein. Das Verhältnis sei eher genau umgekehrt: "Die Linkspartei ist Fleisch vom Fleisch der Gewerkschaften."
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